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Seidenfächer

Titel: Seidenfächer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L See
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wirst überall hinter ihm herjagen. Du wirst sehr glücklich sein.«
    Sie schlang die Arme fester um ihr Baby. »Ich bin schon wieder guter Hoffnung.«
    Ich gratulierte ihr strahlend, aber innerlich war ich in Aufruhr. Das erklärte also ihre geschwollenen Brüste und ihren dicken Bauch. Sie musste schon ziemlich weit sein. Aber wie war es möglich, dass sie schon so bald wieder schwanger geworden
war? War das der Verstoß gegen die Reinheitsgebote, über die sie in ihrem Brief geschrieben hatte? Hatten sie und ihr Mann das Liebesspiel vollzogen, bevor die hundert Tage um waren? Es musste so sein.
    »Ich wünsche dir noch einen Sohn«, brachte ich heraus.
    »Das hoffe ich«, seufzte sie. »Denn mein Mann sagt, es ist besser, einen Hund zu haben als eine Tochter.«
    Wir alle wissen, wir wahr diese Redensart ist, aber so etwas sagt man doch nicht zu seiner schwangeren Frau!
    Ich merkte, wie die Sänfte abgesetzt wurde, und die freudige Begrüßung meiner Brüder bewahrte mich davor, eine angemessene Antwort geben zu müssen. Ich war zu Hause.
    Wie sich der Haushalt verändert hatte! Mein älterer Bruder und seine Frau hatten jetzt zwei Kinder. Sie war zum Vertreiben der Vögel in ihr Elternhaus gefahren, aber sie hatte die Kleinen dagelassen, damit wir sie sehen konnten. Mein jüngerer Bruder hatte noch nicht geheiratet, doch die Vorbereitungen für seine Hochzeit waren schon im Gange. Er war nun offiziell ein Mann. Ältere Schwester war mit ihren zwei Töchtern und einem Sohn gekommen. Sie wurde vor unseren Augen alt, obwohl sie mir noch vorkam wie ein Mädchen in den Tagen des Haarehochsteckens. Mama konnte mich nicht so leicht kritisieren, auch wenn sie es versuchte. Baba war stolz, doch sogar ich konnte ihm ansehen, dass es eine Belastung für ihn war, so viele hungrige Mäuler zu stopfen, auch wenn es nur für diese paar Tage war. Insgesamt waren sieben Kinder zwischen sechs Monaten und sechs Jahren unter unserem Dach. Überall patschten kleine Füßchen über den Boden, es wurde um Aufmerksamkeit gebettelt, und Lieder wurden zur Beruhigung gesungen. Tante war glücklich mit all den Kindern um sich herum. Von einem Haus voller Kinder hatte sie ihr Leben lang geträumt. Trotzdem sah ich gelegentlich, wie ihr Tränen in die Augen stiegen. Wäre die Welt gerechter, wäre auch Schöner Mond mit ihren Kindern hier gewesen.

    Wir verbrachten drei Tage mit Schwatzen, Lachen, Essen, Schlafen – und keiner von uns stritt, lästerte, schimpfte oder machte jemandem Vorwürfe. Für Schneerose und mich war es nachts im oberen Gemach am schönsten. Wir legten unsere Söhne zwischen uns ins Bett. Als wir sie beide so nebeneinander liegen sahen, wurden die Unterschiede zwischen ihnen noch deutlicher. Mein Sohn war dick und hatte einen schwarzen Haarschopf, der nach oben stand wie bei seinem Vater. Er trank gerne und gurgelte an meiner Brust, bis er trunken von meiner Milch war, und er ließ nur los, um zu mir aufzublicken und zu lächeln. Schneeroses Sohn hatte Schwierigkeiten mit der Milch seiner Mutter, er spuckte sie ihr über die Schulter, wenn sie ihn aufstoßen ließ. Auch in anderen Dingen war er heikel – nachmittags schrie er, das Gesicht rot vor Zorn, und sein Po war rosarot und wund. Doch sobald wir vier uns unter die Decke kuschelten, waren beide Babys ganz still und lauschten unserem Geflüster.
    »Gefällt dir das Liebesspiel?«, fragte Schneerose, als sie sicher war, dass alle schliefen.
    So viele Jahre lang hatten wir die derben Späße alter Frauen oder die freizügigen Bemerkungen von Tante darüber gehört, wie viel Spaß sie und Onkel im Bett hatten. Mich hatte das alles immer sehr verwirrt, aber jetzt wusste ich, dass daran gar nichts Verwirrendes war.
    »Mein Mann und ich sind wie zwei Mandarinenten.« Sie sprang ein, da ich nicht sofort antwortete. »Wir finden gemeinsames Glück darin, uns zusammen in die Luft zu erheben.«
    Ich war erstaunt über ihre Worte. Log sie wieder, so wie sie es so viele Jahre lang getan hatte? Sie unterbrach mein verblüfftes Schweigen.
    »Doch sosehr wir es beide genießen«, fuhr Schneerose fort, »es stört mich, dass mein Mann nicht die Regeln über die Enthaltsamkeit nach der Geburt befolgt. Er hat nur zwanzig Tage
gewartet.« Wieder hielt sie inne, dann gab sie zu: »Ich werfe ihm nichts vor. Ich war einverstanden. Ich wollte es auch.«
    Obwohl ich völlig verblüfft über ihre Lust auf das Liebesspiel war, war ich doch erleichtert. Sie musste die Wahrheit gesagt haben,

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