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Seidenfessel - Maeda, K: Seidenfessel

Seidenfessel - Maeda, K: Seidenfessel

Titel: Seidenfessel - Maeda, K: Seidenfessel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kira Maeda
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aufgestanden und stand nun vor ihm. Ihre Knie zitterten noch, aber sie reckte das Kinn vor und sah zu ihm auf. Er war groß, Isabelle reichte ihm knapp bis zur Nasenspitze. Die Empörung gab ihr den Mut, ihm in die Augen zu sehen, die ihren Blick ohne sichtbare Gefühlsregung erwiderten. Seine Bewegung kam so schnell, dass Isabelle einen Aufschrei unterdrücken musste. Sie fand sich mit dem Rücken an der Wand wieder, Toshinaka so nah vor sich, dass sie seinen Atem auf ihrem Gesicht spüren konnte. Und dieser Duft, Himmel, dieser Duft ... Isabelles Beine drohten unter ihr nachzugeben.
    „Es stimmt, hätte ich Sie töten wollen, hätte ich das bereits in Tokio tun können. Aber an Ihrem Tod liegt mir nichts. Zumindest jetzt nicht.“
    Isabelle hoffte, dass der Schreck ihr nicht allzu deutlich anzusehen war. „Wann dann?“, gab sie so kühl, wie es ihr möglich war, zurück.
    „Ich hoffe, überhaupt nicht. Wie ich bereits sagte, Gewalt ist die letztmögliche Option. Aber es liegt an Ihnen.“ Sein Mund näherte sich ihrem, und Isabelle spürte, wie sich ihre eigenen Lippen öffneten. Sie presste sie schnell zusammen. Toshinakas Körper strahlte eine aufreizende Hitze aus, die Isabelle durch den dünnen Stoff des Yukata nur allzu deutlich spürte. „Ich möchte Ihnen eine Chance geben, Ihren Bruder zu finden und gleichzeitig vergessen zu machen, dass eine neugierige Reporterin in Shinjuku Fragen nach der japanischen Mafia stellt.“
    „Sie wissen, wo Shin ist?!“
    „Ja.“
    Isabelle wandte den Kopf zur Seite, aber es half nicht viel. Toshinakas Ausstrahlung umfing sie noch immer. Aber er wusste, wo Shin war. Ausgerechnet in dieser Situation fand sie eine Spur!
    „Was beweist mir, dass Sie die Wahrheit sagen? Welche Garantie habe ich?“
    „Sie haben mein Wort und die Unsicherheit Ihres eigenen Vertrauens. Sollten Sie es aber ablehnen auf meinen Vorschlag einzugehen, kann ich Ihnen zumindest garantieren, dass ich Sie den anderen Mitgliedern der Yakuza ausliefern werde. Inklusive Hinweis, dass Sie Informationen sammeln.“
    „Was wollen Sie?“, fragte Isabelle leise und sah auf. Toshinakas Yukata hatte sich ein wenig verschoben und entblößte die Ausläufer einer Tätowierung auf der rechten Seite seiner Schulter. Diese zog sich wohl quer über das Schulterblatt, denn alles, was Isabelle erkennen konnte, war das Maul eines Drachen.
    „Eine Aufgabe“, antwortete er. „Sie erhalten von mir Informationen zu Shins Aufenthaltsort und die Garantie, Japan ohne Schaden wieder verlassen zu können. Dafür erwarte ich von Ihnen allerdings den Beweis, dass Sie willensstark genug sind, um eine solche Belohnung zu verdienen.“
    „Das klingt, als wäre ich ein Hund!“, sagte sie fassungslos.
    „Oh nein, das sind Sie mit Sicherheit nicht, Lérand-san.“ Seine Blicke glitten über ihr Gesicht.
    Isabelle senkte den Blick wieder. „Was für einen Beweis wollen Sie?“
    „Ich werde Ihnen einen Monat lang Aufgaben stellen. Sie werden nicht wissen, wann oder welcher Art diese Aufgaben sind, aber Sie müssen jede einzelne lösen. Versagen Sie auch nur bei einer einzigen, wird der gesamte Handel hinfällig.“
    „Das ist perfide!“, stieß Isabelle aus.
    „Das ist Ihre Chance, Ihren Bruder zu finden“, erwiderte er kühl. „Es ist Ihre Wahl.“
    Isabelle atmete tief ein. Das war Wahnsinn. Sie begab sich für ein vages Versprechen einen Monat lang in die Hände eines Kriminellen. Welcher Art diese ‚Aufgaben‘ waren, konnte sie nur ahnen, aber gefallen würden sie ihr sicher nicht. Die Alternative wirkte allerdings schlimmer.
    „Also gut – ich bin einverstanden.“
    Toshinaka löste sich. „Kleidung und Ihre persönlichen Sachen liegen im Nebenraum. Für die nächsten Tage werden Sie hier mein Gast sein. Danach würde ich Sie bitten, mein Angebot anzunehmen, ein Zimmer im Sakura View zu beziehen.“
    Isabelle nickte nur. Als Toshinaka sich aber zum Gehen wandte, hielt Isabelle ihn zurück. „Sie waren das im Zug, nicht wahr?“, fragte sie.
    Er sah sie nur mit seinen dunklen Augen an; dann drehte er sich um und ging ohne Verabschiedung hinaus.

K APITEL 6
    Isabelle trat aus der offenen Schiebetür, die zum Garten hin zeigte. Sie führte nicht direkt hinein, sondern auf eine schmale Holzveranda, die sich rund ums Haus zog. Sie war gerade breit genug, dass Isabelle darauf laufen konnte, und bestand aus geschrubbten Holzbalken. Die Sonne hatte sie ausgebleicht und verzogen. Isabelle spürte ihre

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