Seidenmagd
ein wenig langsam, nicht wahr?«
Anna seufzte. »Sie hat sich schwängern lassen.«
»Ach?« Engelbert zog die Augenbrauen hoch. »Und jetzt wird sie heiraten?«
»Nein«, sagte Abraham. »Es war der französische Arzt, den wir mehrfach im Quartier hatten. De Lancet, erinnert Ihr Euch?«
»Dieser unangenehme Mensch?« Engelbert zog ein entrüstetes Gesicht. »Diese Franzosen sind eine wahre Plage. Muss Eure Magd nun gehen?«
»Wir haben es überlegt, aber sie hat keine Familie mehr.« Anna schenkte sich und den Männern kräftigen Würzwein ein, dann zog sie schaudernd ihr Schultertuch enger zusammen. Der Wind heulte ums Haus. »Wir könnten sie auf einen der Höfe schicken, aber dort würde es ihr schlecht ergehen. Es wird wohl unsere christliche Pflicht sein, sie zu behalten.«
»Aber eine weitere Magd brauchen wir dennoch«, sagte Abraham nachdenklich.
»Ich habe gehört, dass in diesem Jahr eher geschlachtet werden soll, weil das Wetter so schlecht ist und vielerorts die Ernte verdorben ist. Das wird ein harter Winter werden.« Anna zog ihren Sessel näher an das Feuer.
»Ich denke auch, dass früher geschlachtet werden muss. Unser Mastschwein können wir sicher einen weiteren Monat halten und hoffen, dass es noch ordentlich an Gewicht zunimmt. Aber die Bauern haben meist zwanzig Schweine. Durch die Stürme sind die Eicheln und Bucheckern schon von den Bäumen gerissen worden, durch die Regenfälle ist alles durchweicht und fault nun.«
»Werden wir hungern müssen?«, fragte Anna besorgt.
Abraham schüttelte den Kopf. »Wir sicherlich nicht, Liebes, aber vielleicht die Arbeiter in der neuen Stadt. Wenn der Winter lang und streng wird, könnte es sein, dass eine Hungersnot ausbricht.«
»Zumal auch noch die Franzosen von unseren Vorräten zehren«, fügte Engelbert hinzu.
Annegrijt begann zu jammern, Anna stand auf, nahm den Säugling aus der Wiege. »Ich nehme sie mit nach oben«, sagte sie seufzend.
Die Männer blickten ihr schweigend nach. Erst als ihre Schritte auf der Treppe verklungen waren, sahen sie sich an.
»Ihr sorgt Euch um Eure Frau, nicht wahr?« Es war keine Frage, die Engelbert stellte.
»Ja, sie hat sich sehr verändert.«
»Das ist mir auch aufgefallen. Hängt es mit der Geburt zusammen? Das ist doch alles gut gegangen.«
Abraham neigte den Kopf, strich sich über den Bart. »Vielleicht hängt es mit der Geburt zusammen, vielleicht ist es aber auch eine Art Melancholie, die jetzt verstärkt zum Ausbruch kommt, ich kann es nicht sagen. Im Kindbett hat sie gelitten und auch danach des Öfteren gefiebert, körperlich ist sie angegriffen. So ganz erholt hat sie sich noch nicht. Und jetzt kommt der Winter.«
»Eure Mutter kümmert sich aber um Eure Gemahlin?«
»Ja, aber sie hat noch ihre Rossmühle, möchte auch das Haus nicht aufgeben. Sie kann nicht zwei Haushalte führen. Dazu kommt, dass meine Schwägerin ihr Kind verloren hat, und sie sich auch um Katrina kümmern muss.«
»Ach. Das wusste ich gar nicht. Die Frau von Adam?«
Abraham nickte. »Es kam überraschend. Katrina war immer gesund und kräftig, sie hatte keine Mühe in der Schwangerschaft, im Gegensatz zu Anna. Aber so ein Verlust ist nicht ungewöhnlich.«
»Das tut mir sehr leid. Vielleicht ist das auch etwas, was Eure Frau bedrückt?«
»Möglich. Anneken, unsere Kleine, ist kränklich. Wir wissen nicht, warum. Sie leidet unter Koliken.« Wieder seufzte Abraham schwer.
»Ich wünsche mir eine Familie«, sagte Engelbert leise, »aber ich sehe auch all das Leid, den Kummer und die Sorgen, die eine Familie mit sich bringt. Zudem kann ich noch keine Frau und keine Kinder ernähren.« Auch er seufzte.
»Aber Euer Geschäft läuft doch?«
»Schon, doch die Zeiten sind zu unsicher. Wer weiß was wird. Die Kommerzienräte von der Leyen haben das Monopol auf die Seidenweberei erhalten. Sie machen allen anderen Webern das Leben schwer. Den Zimmermännern wurde unterStrafe verboten, für andere Weber zu arbeiten. Wo soll das hinführen?«
»Ich weiß es nicht.« Nachdenklich zog Abraham an seiner Pfeife. »Die von der Leyen tun viel für ihre Arbeiter, sie haben eine Armutskasse eingeführt, bezahlen den neuen Schulmeister und wollen eine Orgel für die Gemeinde spenden – was die Gemeinde indes nicht möchte.« Er lachte rau.
»Warum nicht?« Engelbert sah ihn erstaunt an.
»Musik ist nicht gottgefällig.«
»Ist das so? Ich habe neulich wunderbare Kantaten von Bach gehört. Das hat mich sehr berührt und
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