Seidenmagd
zögerte. »Soll ich Euch begleiten?«
Darüber hatte Abraham auch nachgedacht. Er wollte einige Fässer mit Wintergemüse, einige Lagen an Wurzeln und anderes mitbringen. »Nein«, sagte er dennoch. »Mir wäre es lieber, wenn du hierbliebest.«
»Ja.« Hans nickte. »Ich werde auf das Haus und die Frauen achten.«
»Guter Mann.« Abraham klopfte ihm auf die Schulter. »Elise ist heute spät dran, aber gleich wird es Grütze und Speck geben.«
»Kohl, Äpfel, Speckseiten, zwei oder drei Lagen Wurzeln, Zwiebeln«, zählte Anna auf. Unter ihren Augen lagen tiefe Ringe. Offenbar hatte ihr die Nacht keine Erholung gebracht. »Und was immer sie sonst haben. Heute ist Fischmarkt in Uerdingen. Wir könnten ein Fass Heringe gut gebrauchen. Kann Hans nicht fahren?« Sie warf dem Knecht einen fragenden Blick zu.
»Nein.« Abraham schüttelte den Kopf. »Hans soll hierbleiben. Ich werde sehen, was ich machen kann, damit wir auch Heringe bekommen.«
»Aber es wäre wichtig!«
»Anna, mach dir keine Gedanken«, versuchte Abraham seine Frau zu beruhigen. »Heringe gibt es auch noch nächsteWoche. Jetzt ist es erst einmal wichtig, eine neue Magd zu bekommen.« Immer noch war er über Elise verärgert.
»Eine neue Magd?«, fragte Elise ängstlich. »Hierher? Und was wird dann mit mir? Muss ich doch gehen?« Ihre letzten Worte waren kaum zu verstehen.
»Nein!« Anna stand auf und legte ihr die Hand auf die Schulter. »Wir lassen dich nicht fallen, auch wenn du in einer unglücklichen Lage bist.«
Abraham musste sich eine böse Antwort verkneifen. Er zwang sich dazu, milde zu lächeln. »Wir brauchen Hilfe, aber auch Vorräte für den Winter, deshalb fahre ich zu meinen Verwandten auf den Scheutenhof in die Heide, jenseits der Landwehr.«
»Darf ich mitkommen?« Marijke strahlte ihn an. »Bitte.«
Abraham warf seiner Frau einen fragenden Blick zu. Anna legte zweifelnd den Kopf zur Seite.
»Bitte, Mutter! Dort ist es immer so spannend«, flehte das kleine Mädchen.
Anna konnte sich gut an ihre Besuche auf dem Scheutenhof erinnern, als sie noch jünger gewesen war. Der große Vierkanthof, der vom Flöthbach umgeben war, barg jede Menge Abenteuer und aufregende Ecken, Tiere, eine Scheune voller Überraschungen. In den letzten Wochen, nachdem die Franzosen wieder in der Stadt Quartier bezogen hatten, gab es kaum noch Möglichkeiten für die Kinder, ungefährdet auf der Straße zu spielen. Überhaupt gab es wenig unbeschwerte Momente. »Ja« sagte Anna, »dort ist es immer spannend.« Sie sah ihren Mann an. »Meinetwegen darf sie mit, was meinst du, Abraham?«
Er hatte ähnliche Gedanken wie sie gehabt und nickte. »Natürlich kannst du mitkommen, Marijke. Zieh dich nurwarm an. Auch wenn der Wind nachgelassen und es aufgehört hat zu regnen, ist es dennoch kalt.«
Das Mädchen sprang auf. »Komm!«, rief es und zog Elise am Arm. »Ich brauche meine dicken Strümpfe und den wollenen Unterrock. Die sind in meiner Truhe, und alleine bekomme ich den Deckel nicht auf!«
Die Magd ließ sich von dem Kind mit nach oben ziehen. Anna und Abraham tauschten ein Lächeln. Auf einmal war da wieder diese Unbeschwertheit, die ihre Beziehung zu Anfang gehabt, aber in den letzten Monaten verloren hatte.
Von dem Gefühl beflügelt, hätte Abraham am liebsten seine Frau und den Säugling eingepackt und mitgenommen, doch er wusste, dass dies nicht ging. So packte er seine Ziehtochter auf den Kutschbock, legte ihr die schwere Decke auf die Knie und gab ihr die lange Peitsche zu halten. Stolz und mit beiden Händen hielt das Mädchen die mit Leder umwickelte Rute fest. Ihre Wangen waren vor Aufregung gerötet, ihre Augen blitzten.
»Wird es warm genug sein für sie?«, fragte Anna, die neben die Kutsche getreten war. Ihre Stimme war nun wieder voller Zweifel und Besorgnis. »Nicht, dass sie sich verkühlt.«
»Ich werde auf sie achten, Anna. Versprochen.« Abraham stieg auf den Kutschbock, schnalzte. Schwerfällig setzten sich die beiden Kaltblüter in Bewegung.
Marijke kuschelte sich vertrauensvoll an ihn, sah dabei aber voller Spannung nach links und rechts. Von dieser Warte hatte sie die Straße noch nie gesehen.
Sie fuhren durch das Niedertor, an den Wallgärten entlang und dann in den Bruch hinein. Am Krüllshof lenkte Abraham in Richtung Heide.
Mittags kamen sie endlich zur Landwehr. Marijke war inzwischenmüde geworden. Schon lange hatte sie die Peitsche an Abraham abgegeben.
»Sind wir bald da?«, fragte sie leise.
»Ein wenig
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