Seidenmagd
ergriffen.«
»Ich habe bisher nur wenige Stücke von Bach gehört, aber jedes Mal war ich zu Tränen gerührt. Es ist ganz wundervolle Musik. Ich teile die Meinung der Gemeindeältesten und des Predigers nicht, dass Musik per se schlecht und nicht gottgefällig ist.«
»Eure Gemeinde ist sehr streng. Manche Gedanken teile ich, es muss nicht immer alles prunkvoll sein. Aber viele Dinge scheinen mir übertrieben. Die Zeit schreitet voran und wir mir ihr.«
»Wir schreiten offenbar immer ein paar Schritte hinterher.« Abraham grinste. »Aber die von der Leyen eilen uns voraus. Nicht immer zu unserem, aber allemal zu ihrem Besten.«
»Sie haben guten Kontakt zum König, so sagt man.«
»Das ist wahr. Frieder von der Leyen hat sich sogar einen Wohnsitz in Potsdam zugelegt. Er hat den Sommer über dort residiert und seine Kontakte gepflegt. Doch was hilft das unserer Stadt?«
»Immerhin weiß der König, dass es Krefeld gibt. Das Monopol auf die Seidenweberei bringt den von der Leyen Geld,aber auch den einfachen Bürgern Arbeit. Man muss nur sehen, welche anderen Möglichkeiten es gibt. Leinenweberei ist noch erlaubt, und auch Eure Posamentenbänder dürft Ihr weben lassen.«
»Noch«, sagte Abraham düster.
Sie besprachen die Situation noch eine Weile, dann verabschiedete sich Engelbert vom Bruck.
Abraham bedeckte das Feuer im Kamin, schaute nach dem Ofen in der Küche. Anna hatte den Brotteig für den nächsten Tag angesetzt. Sie hatten lange darüber gesprochen, was mit Elise werden sollte, und beschlossen, das Mädchen zu behalten. Doch in den letzten Wochen ihrer Schwangerschaft wurde die Magd noch schwerfälliger und unzuverlässiger. Deshalb übernahm Anna wieder einen Teil des Haushalts. Ein Grund mehr, so befand Abraham, schnell eine weitere Magd einzustellen. Auch wenn sie keinen üppigen Verdienst hatten, ging es ihnen verhältnismäßig gut. Sie konnten sich eine Magd leisten und dennoch Elise behalten, die aber nur noch Kost und Logis bekam, so lange, bis sie wieder ihre Arbeit verrichten konnte. Doch das war für das Mädchen allemal besser als das Armenhaus.
Anna jedoch war überlastet mit dem Haushalt. Abraham spähte durch das Küchenfenster in den Hof. Noch immer heulte der Wind durch die Gassen, der Regen prasselte nieder.
Hoffentlich, so dachte er, lässt der Sturm morgen nach.
Müde schlich er die Treppe empor. Noch bevor er oben angekommen war, konnte er schon das leise Weinen seiner Tochter hören. Dies würde eine weitere unruhige Nacht werden, befürchtete er und beschloss, in der Stube zu schlafen.
Am nächsten Morgen schien die Sonne in die Stube, als eraufwachte. Marijke stand vor ihm, trat von einem Bein auf das andere.
»Mir ist kalt«, wisperte das kleine Mädchen.
Abraham hob die Decke und zog das Kind zu sich. Dann schaute er sich um. Der Kamin war ausgegangen, auch roch es weder nach frischem Brot, noch waren Geräusche aus der Küche zu vernehmen.
»Warst du bei deiner Mutter?«, fragte er das Kind besorgt.
»Ich habe die Tür nur einen Spalt geöffnet, sie schläft noch«, flüsterte Marijke. »Und ich wollte sie nicht wecken, aber mir war so kalt.« Das Kind steckte den Daumen in den Mund und schloss wieder die Augen.
Abraham stand auf, wickelte das Kind in eine Decke, dann zog er sich rasch an. Es war tatsächlich kalt. Schnell ging er in die Küche, aber auch der Ofen war erloschen, nur ein kleiner Rest Glut befand sich am Boden des Herdes. Schnell entfachte Abraham das Feuer, trug Glut in die Stube und entzündete auch dort die Flammen. Er legte reichlich Holz nach, so dass sich die Räume rasch erwärmten. Dann klopfte er an die Kammer der Magd.
»Elise! Das Morgengrauen ist schon verstrichen, die Sonne steht am Himmel. Steh auf und bereite in Gottes Namen das Frühmahl.«
Die erste Mahlzeit des Tages war immer noch Elises Aufgabe, auch wenn sie ihr die Wäsche und andere Dinge abgenommen hatten, und Abraham spürte Wut in sich hochsteigen.
»So geht das nicht weiter«, sagte er sich. Der Sturm hatte sich zum Glück verzogen, dennoch würden die Wege durch die Heide voller Schlamm und Matsch sein, und die Fahrt zu den Gehöften vor der Stadt einige Zeit in Anspruch nehmen.Doch er würde fahren müssen. Am besten so schnell wie möglich.
Hans, der Knecht, der in einer kleinen Kammer über den Stallungen im Hinterhof schlief, war zum Glück schon auf und hatte die Pferde versorgt.
»Spann den Wagen an, ich fahre hinaus zu den Flöthhöfen.«
»Ja, Herr.« Hans
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