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Seidenmagd

Seidenmagd

Titel: Seidenmagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Renk
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Wir sollten zurück sein, bevor dieser Krieg endet. Mein Oheim hat wichtige Geschäfte, die mit dem Ausgang des Krieges steigen oder fallen, davon hängt viel ab.« Nachdenklich ging er zum Fenster und rieb sich das Kinn.
    Diese Geste kannte Catharina inzwischen, er war in Gedanken, und man störte ihn besser nicht. Rasch packte sie wiederum ein paar Leckerbissen in eins der Mundtücher,steckte es in ihre Rocktasche. Sie knickste, obwohl sie wusste, dass Frieder sie gar nicht mehr wahrnahm, und verließ den Salon.
    Nach Potsdam, dachte sie, während sie den Gang entlang eilte, was wird mich da erwarten? Und warum will er Thea dabei haben? Sie nahm sich vor, die alte Frau so schnell wie möglich in den Gesinderäumen zu suchen. Doch als sie ihr Zimmer betrat, saß Thea in dem Sessel am Fenster und lächelte sie an.
    »Hast du es schon vernommen?« Thea kicherte. »Ich reise mit euch nach Potsdam.«
    »Ja.« Catharina holte tief Luft. »Und?«, fragte sie dann leise.
    »Und?«
    »Ist das gut oder schlecht für dich?« Catharina nahm das Mundtuch aus der Tasche, reichte es Thea.
    »Das ist Entenbrust! Und weißes Brot. Du musst ein Engel sein.«
    »Nein. Ich fürchte, du kommst wegen mir mit.« Verlegen sah sie auf den Boden.
    »Aber nun gräm dich nicht. Ich war noch nie in Potsdam. Um ehrlich zu sein, habe ich die Stadt noch nie verlassen. Hab auch nicht gedacht, dass ich das auf meine alten Tage noch tun würde.« Wieder lachte Thea leise.
    »Doch betrübt dich das nicht? Du wolltest deine letzten Tage hier am Herd verbringen und warst zufrieden damit.«
    »Ja. Aber ich hatte auch nur eine andere Möglichkeit, und das wäre das Armenhaus gewesen. Glaub mir, so großartig ist das Leben als alte Magd nicht. Um ehrlich zu sein, habe ich seit Jahren nichts so sehr genossen wie die Tage mit dir. Du bist so erfrischend. Ein Jungbrunnen.« Sie lachte abermals.»Mag auch an dem guten Essen liegen, welches mir plötzlich vergönnt ist.« Sie riss das Entenfleisch in kleine Stücke, schob es in ihren fast zahnlosen Mund und seufzte dann voller Wonne auf.
    »Aber ... ich dachte ... und in deinem Alter?«, stotterte Catharina.
    »Was heißt schon ›in deinem Alter, Kindchen? Ich kann morgen tot hier umfallen oder dem Ende entgegensiechen, ich kann aber auch mit dir und deinem Herren morgen in die Kutsche steigen und nach Potsdam fahren, Neues sehen und erleben. Und dies ist meine letzte Gelegenheit, denn ich werde nicht ewig leben, und die Möglichkeit, dass ich tot umfalle, liegt zum Greifen nahe. Gräm dich nicht, du machst mir eine Freude.«
    »Ja?«, fragte Catharina ungläubig.
    »Als junge Frau hätte ich einmal mit auf Reisen gehen können, auch wenn es nur bis Braunschweig gewesen wäre. Aber es hat mir Angst gemacht, daher bin ich hiergeblieben. Das habe ich später immer bereut. Ich habe nichts vom Land gesehen, war nur bis vor die Stadtmauern, nicht weiter.« Sie seufzte. »Und jetzt, als alte Frau, komme ich dank dir nach Potsdam. Vielleicht sehen wir sogar den König.«
    »Den König?« Catharina schüttelte den Kopf. »Aber der kämpft doch.«
    »Ich habe da Gerüchte gehört, dass er sich in Potsdam aufhält.« Thea zwinkerte ihr zu. »Aber eigentlich zählt das gute Essen mehr als der König für mich.« Sie biss in die Scheibe weichen Weißbrots und verdrehte genüsslich die Augen.
    Catharina ging zu der kleinen Kommode, auf der eine Karaffe mit Wein und zwei Gläser standen, schenkte ein, reichte Thea eines der Gläser.
    »Also freust du dich?«, fragte sie ungläubig.
    Thea nickte. »Was hätte ich hier gehabt, außer auf den Tod zu warten?«
    »Aber du weißt doch gar nicht, was dich erwartet.«
    »Nein.« Thea nahm einen großen Schluck Wein. Sie sah Catharina an, kniff die Augen zusammen. »Das ist deine Angst, nicht wahr? Du weißt gar nicht, was dich erwartet. Und noch schlimmer, du weißt gar nicht, was er von dir erwartet.«
    Die Worte fielen in Catharinas Geist wie ein Stein in einen Brunnen, sie schluckte und wandte sich ab.
    Thea hatte recht. Nicht die Reise an sich machte ihr Angst, sondern die Rolle, die Catharina einnehmen sollte. Sie war schon lange keine Kammerzofe mehr, war es eigentlich nie gewesen. Frieder hatte etwas ganz anderes mit ihr im Sinn, aber sie konnte immer noch nicht erkennen, was es war. Sie sollte ihn begleiten, er hatte Interesse an ihrer Meinung und befand es auch gut, wenn sie anders dachte als er. Wobei er dann immer noch versuchte, sie umzustimmen und von seiner Ansicht

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