Seidenmagd
fest.«
»Doch das Leben ist für sie zur Qual geworden.« Abraham setzte sich wieder ihr gegenüber, verschränkte die Hände. »So, wie es ihr in den letzten Wochen erging, war es kaum noch lebenswert.«
»Aber das ist doch kein Wunder. Sie musste um ihr Kind bangen, so wie Ihr auch.«
Abraham nickte. »Sie fürchtet sich sehr vor dem Tod, auch wenn sie weiß, dass Gott sie aufnehmen wird. Sie hat in gutem Glauben und ehrfürchtig gelebt.«
Tue ich das auch? fragte sich Catharina. Oder habe ich die Ehrfurcht verloren, in Schlichtheit Gott zu dienen? Sind Musik und Unterhaltung wirklich sündig? Sie dachte an die Kastraten und empfand plötzlich Widerwillen.
Ich werde mein Leben ändern, schwor sie sich.
Im frühen Morgengrauen kam die Hebamme die Stiege herunter. Sie trug ein kleines Bündel.
»Ihr habt einen Sohn, Monsieur ter Meer«, sagte sie mit einem müden Lächeln. »Er ist schwach, aber er lebt.«
»Und meine Frau?«
»Auch sie ist sehr schwach. Es war eine schwierige Geburt, da sie sich dagegen sträubte, dem Kind das Leben zu schenken.« Sorgenvoll runzelte die Hebamme die Stirn. »Wir können nur beten, dass sie ihren Lebensmut zurück erlangt.«
Vorsichtig nahm Abraham seinen kleinen Sohn entgegen und bestaunte das winzige Wesen. »Du sollst Johannes heißen«, sagte er und kämpfte vergeblich gegen die Tränen der Erleichterung.
Die Hebamme behielt Recht, Anna hatte den Lebensmut verloren. Catharina half, so gut sie konnte, im Haushalt mit. Auch holten sie Marijke wieder zu sich.
»Wenn sie ihre Tochter sieht, die so munter und gesund ist, wird sie vielleicht wieder Hoffnung schöpfen«, glaubte Abraham.
Doch Anna wollte Marijke nicht sehen, auch ihren kleinen Sohn konnte sie kaum versorgen.
»Sie hat wohl Milch«, sagte die Hebamme. »Aber sie verspürt eine Abneigung gegen das Kind. Manchmal ist das so bei Müttern, die schwer im Kindbett leiden. Ihr solltet Euch eine Amme suchen.«
Abraham nickte. »Darüber habe ich auch schon nachgedacht.«
»Ich habe ihr einen Auszug aus Johanniskraut und Melisse gemacht. Die Tropfen sollte sie alle paar Stunden direkt auf die Zunge nehmen und mit einem Tee aus Baldrian nachspülen.«
»Mutterkraut könnte ihr auch helfen«, meinte Catharina, und die Hebamme nickte.
Eine junge Frau aus dem Armenviertel hatte vor kurzem ein Kind geboren und erklärte sich bereit, bei ter Meers den Ammendienst zu verrichten. Obwohl dies Anna erleichterte, verbesserte sich ihr Zustand nur allmählich.
Kapitel 39
»Noch nie waren so wenig Truppen hier am Niederrhein«, sagte Peter Lobach.
»Aber die Nachrichten aus Russland sind immer noch verwirrend«, meinte Johann von Beckerath und stopfte sich die Pfeife.
»Ich habe private Nachricht erhalten, dass die Zarin Elisabeth an dem Friedensvertrag mit unserem König festhalten will.«
Auch Abraham nahm die Pfeife aus der Tasche. »Sie hat ihren Mann, so sagt man, gestürzt, damit es nicht zu einer Revolution kommt.«
»Offiziell ist der Zar eines natürlichen Todes gestorben«, fügte Engelbert vom Bruck hinzu.
»Man darf nicht allen Berichten glauben.«
»Aber die Friedensvorhersagen werden immer zahlreicher. Auch die holländische Zeitung sagt, dass England und Frankreich erfolgreich verhandeln.«
Catharina, die immer noch bei ter Meers wohnte und dem Haushalt vorstand, nahm das Flickzeug zur Hand.
Frieden, dachte sie, darüber wird schon seit zwei Jahren immer wieder gesprochen.
»Es sieht alles erfolgsversprechend aus«, meinte Abraham. »Dazu kommt, dass die Ernte so gut war, dass der Preis für das Getreide sich halbiert hat. Wir können wieder Hoffnung schöpfen.« Abraham hatte stark abgenommen, tiefe Falten hatten sich in sein Gesicht gegraben. Doch seine Augen blitzten so lebhaft wie zuvor.
»Nicht alles«, seufzte Johann von Beckerath. »Die von der Leyen haben mir und meinem Bruder gerichtlich untersagt, unsere mit der Mühle betriebene Bandfabrik weiterzubetreiben. Die Strafe soll tausend Taler betragen.«
»Parbleu!«
»Merde!«
»Ja, und Bartholomäus Rahr ist auch von ihnen verboten worden, Band zu machen. Seine Mühlen wurden sogar beschlagnahmt.«
»Die von der Leyen greifen nun hart durch. Was wird aus uns werden?«
»Das Edikt gibt es ja schon seit einiger Zeit, aber ich hatte nicht gedacht, dass sie es so streng verfolgen. Doch die Familie hat sich nun mit der Familie Herstatt aus Köln verbunden und betreibt umso deutlicher ihre Interessen.«
Catharina horchte auf. »Sie haben
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