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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Verräter. Er wurde zuerst in Spandau, dann in Papenburg-Esterwegen inhaftiert. 1936, bereits schwer erkrankt, erhielt er den Friedensnobelpreis. Man verweigerte ihm die Ausreise nach Oslo, wo er den Preis in Empfang nehmen sollte. Hermann Gering stellte ihn vor die Wahl: die Freiheit gegen die Verweigerung des Preises. Carl von Ossietzky ging auf den Handel nicht ein. Er blieb inhaftiert und starb 1938 an Tuberkulose.
    Mein Vater war ein vorsichtiger Mann; aber gewissen Freunden hatte er vertraut; zu Unrecht, wie es sich herausstellte. Als Anwalt war er unbestechlich gewesen. Irgend jemand rächte sich, brachte die Geschichte mit Ossietzky ans Tageslicht. Die Gestapo durchsuchte das Haus; man fand einen alten Brief von Ossietzky. Das genügte. Mein Vater wurde in einen Wagen gezerrt; wir sollten ihn nie wiedersehen.
    Iris’ Paß wurde beschlagnahmt. Zum Glück hatte sie Geld.
    Sie glaubte, daß sie wohl schwarz über die Grenze kommen könnte. Als sie ihr Guthaben abheben wollte, war das Konto gesperrt. Von oben hatte man »Nachforschungen und gründliche Ermittlungen« angeordnet. Iris wandte sich an die Schwiegereltern. Das Verhältnis war nie besonders herzlich gewesen.
    Jetzt war der Empfang ausgesprochen frostig. Franz von Steinhof, inzwischen pensioniert, lehnte am Bücherschrank und hielt eine erbitterte Rede. Die Anschauungen seines Sohnes hatten sich als »politisch verwerflich« erwiesen, er sei ein »Feind des Vaterlandes« und habe Kontakt zu »Verrätern« gepflegt. Er hätte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den hirnverbrannten Lümmel wieder freizukriegen. Aber das würde nicht von heute auf morgen erfolgen. Er ließ durchblicken, daß Iris an dem Vorfall nicht unschuldig wäre. »Eine Frau kann bei einem Mann alles erreichen, im guten oder im schlechten.« Die Schwiegermutter saß in einem gepolsterten Sessel, atmete gepreßt – sie litt an Kreislaufstörungen – und zerknitterte verstört ein Taschentuch. Ihr Kleid war grau, langweilig schlicht; an ihrem Ringfinger funkelte ein Diamant, umgeben von einem Kranz kleiner, sehr reiner Brillanten.
    »Obwohl Konvertitin – mit ehrlichem Herzen, mein Kind, das sehe ich wohl ein –, bringst du unsere Familie in zusätzliche Gefahr.« Ihre Augen wurden feucht. Sie bat Iris, von künftigen Besuchen abzusehen. Wir blieben keine zehn Minuten.
    Tee wurde uns nicht angeboten.
    Iris hatte nur wenige verläßliche Freunde. Einer davon war Felix Speyer, der bei der Fremdenpolizei arbeitete. Zu Beginn seiner Beamtenlaufbahn war Speyer in einer Treuhandfirma tätig gewesen. Als er herausfand, daß sein Arbeitgeber Geld in die eigene Tasche steckte, zeigte er ihn an. Der Inhaber klagte auf Verleumdung. Mein Vater übernahm den Fall, brachte Beweise. Speyer wurde freigesprochen, der Treuhänder be-straft. Speyer hatte nie vergessen, was er meinem Vater schul-dete. Speyer wußte, daß Iris’ Festnahme täglich erfolgen konnte. Da sie mittellos war, schien es am sinnvollsten, daß sie zu ihrer Familie zurückkehrte. Deutschland hatte mit Polen einen Nichtangriffspakt geschlossen. Speyer stellte Iris falsche Papiere aus; sie reiste unter ihrem Mädchennamen und galt als Witwe. Ich wurde in ihren Paß eingetragen. Von ihrem letzten Geld kaufte Iris zwei Fahrkarten. Am nächsten Tag fuhr ein Zug über Berlin nach Danzig. Wir hatten nur zwei kleine Koffer bei uns. Die Konfusion an den Grenzposten war total, die Behörden überfordert, wir kamen durch.
    Das Wiedersehen mit der Familie: die sanfte, spöttische Oma, die so gut Klavier spielte, der apodiktische Opa, von seinen vierzig Angestellten wie Gottvater gefürchtet; Tante Hannah, Omas Schwester, die früher mal hübsch gewesen war, aber nie einen Mann nach ihrem Geschmack gefunden hatte.
    Und Amos, endlich! Amos, kornblond wie Iris, sonnenver-brannt, mit spöttischen Augen. Er war jetzt dreißig Jahre alt, sah jünger oder älter aus, ganz nach Stimmung. Ich beobachtete ihn, verstohlen und fasziniert, mit einer Mischung aus Dreistig-keit und Herzklopfen. Vor ein paar Jahren hatte er mich seine Komplizin genannt. Und jetzt? Ich war dreizehn, man sagte von mir, sie wird apart werden. Nicht hübsch, nein, apart. Apart war besser. Und auch das Haar, sehr schön, lockig und fast schwarz, mit einem rötlichen Schimmer. Ich frisierte die Locken nie nach hinten, ich wollte, daß sie auf die Schultern fielen, damit man sie gut sah. Amos musterte mich. Er hatte dunkle Brauen, und seine Augen waren hellgrün. Sein Blick war

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