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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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ich. Du weißt schon, der Kultur-schock…«
    »Ach so. Den hatte ich ganz vergessen.«
    Wir spielten Wortspiele, Schlag auf Schlag, sonst wäre es für uns nicht möglich gewesen, diese Sache zu besprechen. Wir waren beide zu aufgewühlt.
    »Ich will nicht, daß du gehst«, sagte er. »Ich muß darauf bestehen. Vielleicht ist es in deinem Fall notwendig.«
    »Ich bin eine Tänzerin. Ich habe wenig Privatleben. Und das Theater ist so etwas wie meine Wohnung. «
    »Du kannst alle vierzehn Tage ein neues haben. Und es ist mir egal, wo du schläfst, von mir aus auf der Drehbühne. Wenn ich nur jede Nacht in deinem Futon stecke. Eine Einheit von Produktion und Interpretation, sozusagen.«
    »Ich sehe schon den Sinnzusammenhang.«
    »Daneben könntest du im Onjôkan arbeiten. Den Kindern Spiele und Lieder beibringen.«
    »Das würde mir schon Spaß machen.«
    »Ich möchte für immer mit dir verbunden sein.«
    »Wir haben diese fixe Idee, du und ich.«
    »Wirst du bei mir bleiben, Ruth-San?«
    »Ich könnte gar nicht anders. Du läßt mich ja nicht weg.«
    Wir sahen uns an; in seinen Augen war ein neuer Glanz. Der Ernst war aus ihnen gewichen. Ich deutete ein Lächeln an. Da lachte auch er auf, zog mich an sich, preßte mich an seine Brust. Ich schlang meine Arme um seinen Hals, legte die Wange an seine Schulter. Ein paar Atemzüge lang wiegten wir uns leicht mit geschlossenen Augen, verloren in der Gegenwart, einander zu spüren. Die eine Seite seines Körpers war heiß, die andere kalt. Und – ich weiß nicht warum, das erregte mich mehr als alles andere. Meine Hände bewegten sich, leicht wie Federn. Seine Haut war so elastisch, so schimmernd und ebenmäßig zu berühren; eine Haut, glatt wie ein Kiesel. Sie duftete nach Binsenmatten und frischer Baumwolle, nach grünem Teepulver und Mandarinen. Sie hatte den Geruch Japans an sich, unnachahmlich, sinnlich und unvergeßlich. Ich liebte diese Haut, als wäre sie meine eigene. Nicht eine Stelle an seinem Körper, die ich nicht kannte. Jeder Mensch, dachte ich, findet früher oder später die Heimat seiner Seele. Ich, die ewig Ruhelose, hatte sie gefunden, in seinen Armen. Ich flüsterte, dicht an seinem Gesicht:
    »Das ist ein besonderer Augenblick.«
    Er löste sich leicht von mir, um mich ganz anzusehen. Er sah müde aus, aber erlöst, wie ein Mann, der in der Ferne etwas suchte und es endlich gefunden hat.
    »Wenn du es so meinst, ja«, sagte er kehlig. »Ein besonderer Augenblick. «
    37. Kapitel
    I m Bugaku waren die Möglichkeiten der Interpretation begrenzt. Dafür experimentierte Sagon mit alten Instrumenten, Klängen und Rhythmen, schuf neue Tonkulissen für neue Bewegungsabläufe. Es faszinierte mich, wie er mit dem Raum umging, ihn mit einer zusätzlichen hohen Sinngebung zu füllen wußte. Bugaku ist pure Abstraktion. Manierismus prägt jede Geste, jeden Schritt. Was mir bei Sagon so gefiel: Er blieb immer am menschlichen Kern. Die dargestellten Helden, Edelmänner, Hofdamen und Asketen waren Stilisierungen und zugleich Figuren, von Leidenschaft erregt. Die Gesichter mochten ausdruckslos bleiben, entrückt; doch die richtige Geste betonte stets die richtige Emotion.
    Wir übten zumeist im Trainingsdreß, doch bald kam die Zeit, wo wir in Kostümen probten. In einem schweren Brokatge-wand, mit weiten Flügelärmeln, bewegt man sich anders als im Trikot. Auch war mir der Umgang mit Schild und Hellebarde nicht vertraut. Tänzer, die schon seit Jahren dabei waren, konnten sich rasch wieder bewegen, wie es einmal erarbeitet worden war. Doch ich mußte alles von Grund auf einstudieren. Aiko hatte die Gewänder aus den Schubladen genommen, jedes einzelne geschüttelt, nachgesehen und ausgelüftet. Einige dieser Kostüme waren alt; man sah es an der besonders spröden Beschaffenheit der Brokate. Andere waren neuerer Machart. Die Kostüme der Musiker waren aus schlichter, schwerer Seide. Für die Tänzer jedoch waren Prunkgewänder vorgesehen, mit schweren wattierten Flügelärmeln. Die Kostüme, in den Grund-farben rostrot und Smaragd, waren mit wundervollen Blumen-und Tiermustern bestickt, die Säume mit Gold- oder Silberfä-
    den genäht. Das Kostüm des Ranryô-ô zeigte deutlich chinesischen Einfluß: Es bestand aus einer Pluderhose und einem knielangen Übergewand, mit dem Wappen des Greifenvogels bestickt. Darüber wurde ein schwerer, bronzefarbiger Brokat-
    überwurf getragen, der einen Schuppenpanzer darstellte. Weiche Filzstiefel, mit Schnabelspitze,

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