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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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wovon wir mit Worten nie eine Vorstellung vermitteln konnten. Nicht bloß die kreisende Lust, sondern dieses unglaubliche Gefühl, daß wir eins und zwei zugleich waren. Gemeinsam erreichten wir eine besondere Schwerelosigkeit, schwankten zwischen Sekunden des freien Schwebens im Raum und solchen, da die Flügel des Wahnsinns uns schüttelten und Tintenschwärze sich auf uns herabsenkte. Wir schliefen dann; nie sehr lange. Ich spürte, wie Kunios Hände sich um meine Brüste legten, wie seine zärtli-chen Fingerkuppen die empfindlichen Spitzen umkreisten. Ich fühlte mich ganz von seiner Wärme umfangen. Auch jetzt wieder, im Halbschlaf, hörte ich nur seine Atemzüge und das Klopfen meines eigenen Herzens. Dann wälzte ich mich träge herum, preßte das Innere meiner Lippen an seine klamme Schulter; wir lagen eng aneinandergepreßt, die Arme verschlungen. Kunios Haut leuchtete bernsteinfarben im schwachen Lichtschein, der einen diagonalen Goldstreifen auf die Binsenmatten warf.
    Ich atmete den Geruch seiner Haut ein, leckte den salzigen, sanft glitzernden Schweißhauch auf seiner nackten Brust.
    Schließlich seufzte ich glücklich auf.
    »Was für eine schöne Haut du hast!«
    Er blinzelte; seine Augen leuchteten wie braune Kastanien.
    »Das kommt, weil wir Japaner rohen Fisch essen, nur daher.«
    Wir brachen in Lachen aus. Er streichelte mein Haar. Sein Gesicht wurde nachdenklich.
    »Könntest du in Japan leben?«
    Ich ließ mich auf den Futon zurückfallen.
    »Ich weiß nicht. Ich habe noch nie darüber nachgedacht.«
    Er stand auf, ging in die Kochnische. Meine Augen folgten den Bewegungen seiner Schultern und Hüften und Schenkel, mit dem Blick der durch die Tanzkunst für die Schönheit des Körpers empfänglich gewordenen Frau. Auch in der Welt des Tanzes – wo die Selbstdarstellung vielfältige Formen annimmt
    – hatte ich nur selten Menschen erlebt, die ihrem Körper diese ungekünstelte Natürlichkeit zuzuführen vermochten. Kunio kam wieder mit zwei Gläsern und einer Flasche. Mugicha, ein Korntee, der kalt getrunken wird. Er kniete neben mir nieder und füllte ein Glas für mich. Das dunkelbraune, würzige Ge-tränk schmeckte nach Rinden und Sommergras. Ich trank das ganze Glas aus. Er schenkte mir nach und lächelte. Ich sah seine weißen Zähne in dem gebräunten Gesicht.
    »Gut, nicht?«
    Ich erwiderte sein Lächeln.
    »Korntee gehört zu den guten Dingen in Japan. Vorzugswei-se danach. Nachdem wir uns geliebt haben, meine ich.«
    »Ja, dann ist er wohl am besten.«
    Wir betrachteten uns; wir waren nur damit beschäftigt, uns zu betrachten; unser Lächeln verschwand gleichzeitig. Schließ-
    lich brach ich verwirrt das Schweigen.
    »Ich möchte gern ein wenig verstehen, warum es so weit mit uns gekommen ist.«
    Er schüttelte ernst den Kopf.
    »Man kann nicht in solchem Maße verstehen.«
    »Nein.«
    »Aber Hanako kann dir vielleicht eine Antwort geben.«
    »Es wäre mir soviel wert – wenn…«
    »Hanako hat schon den Tod gesehen. Er ist ein Anfang, kein Ende. Hanako weiß diese Dinge…«
    »Meine Mutter auch«, flüsterte ich. »Und niemand hatte eine Ahnung davon, ich am allerwenigsten.«
    Er goß uns Tee ein. Seine Bewegungen waren sehr langsam.
    »Trink!«
    Ich trank in kleinen Schlucken, geistesabwesend. Er spielte mit seinem Glas, drehte es in der Hand.
    »Das, was da seinen Lauf nimmt, ist schwer zu erfassen. Ich glaube, es fängt mit dem Begehren an. Wenn ein Mensch plötzlich so wichtig wird, daß es zu einer Selbstprüfung kommt.«
    »Wir denken zuerst, es ist eine Täuschung«, fiel ich ihm ins Wort. »Vielleicht haben wir uns diese Dinge nur ausgedacht.
    Und dann doch nicht. Nein. Das ist so außergewöhnlich, daß man davon wie gelähmt wird. Ja, ich habe es genauso erlebt…«
    Er nickte.
    »Wenn ich dich eine Weile nicht sehe, frage ich mich, ist sie wirklich so anziehend? Und dann sehe ich dich und denke, du bist so anziehend, wie ich es noch nie gesehen habe.«
    »Und danach?«
    Er nahm langsam einen Schluck.
    »Danach träume ich von dir, von deinem Atem, von deiner Umarmung. Von deinen wunderbaren Händen, deinem beflü-
    gelten Schritt. Von deinen nackten Brüsten unter dem T-Shirt.
    «
    »Ich trage keinen Büstenhalter.«
    »Ich weiß. Ich ziehe bloß den Stoff hoch und nehme deine Brüste in die Hand. Sie sind lebendig und warm wie Vögel, so hart und gleichzeitig so weich… «
    »Träumst du das jede Nacht?«
    »Sogar tagsüber, im Klassenzimmer, was genierlich sein kann.

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