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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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manchmal vor. Selten. Aber du hast diese Dinge nicht selbst verursacht, nein. Du hast nur die Fähigkeit, sie auszulö-
    sen. Sagon hat deinetwegen schlaflose Nächte verbracht.«
    Ich starrte ihn betroffen an.
    »Was hat Sagon damit zu tun?«
    »Er hat dich mit der Maske auftreten lassen.«
    Ein Schauer erfaßte mich, als eine Erinnerung über mich hinwegzuckte. Es war nicht einmal ein Bruchteil eines flüchtig geschauten Bildes, sondern ein Schmerz auf meinem Gesicht; das Gefühl, daß sich etwas an meiner Haut festsaugte. Doch nun wußte ich Bescheid.
    »Es ist meine Schuld, Kunio. Ich habe das verdammte Ding nicht unter Kontrolle gehalten. «
    »Wie du weißt«, sagte Kunio, »hatten bisher nur Männer den Ranrô-ô gespielt. Sie empfanden die Maske als unheimlich, mehr nicht. Aber du bist eine Frau…«
    Ich verzog bitter den Mund.
    »Bis zu einem gewissen Punkt hatte ich ihn noch gut im Griff.«
    »Aber dann hat er deiner Seele einen Schock versetzt. Er hat dich, eine Zeitlang…« Kunio schluckte, »in einem Zustand der Besessenheit gehalten…«
    »Er war stärker als ich.«
    »Nicht ganz. Du hast ihn besiegt. Ich habe keine Sekunde geglaubt, daß du stümperhaft geprobt hast, wie du es mir seit Tagen weismachen willst. Und auch unter den Zuschauern gab es keinen, der nicht wußte, was da geschah.«
    »Habe ich geschrien?«
    »Nein, geschrien nicht.« Kunio zögerte, doch nur kurz.
    »Besser, ich sage es dir gleich. Du hast gesprochen. Mit der Stimme eines Mannes.«
    Mein Herzschlag stockte. Ich klammerte mich an seine Hand.
    »Was habe ich gesagt?«
    Er seufzte.
    »Ich weiß es nicht. Der einzige, der dich verstanden hat, ist der Kannushi. Als Student hat er Chinesisch gelernt.«
    Ich traute meinen Ohren nicht.
    »Willst du damit sagen…. daß ich Chinesisch gesprochen habe? Aber das ist doch völlig unmöglich. Ich kann kein einziges Wort Chinesisch…«
    »Das ist eben die… nun, die Besessenheit. Schamanen in Trance bringen diese Dinge fertig.«
    Ich schluckte.
    »Kunio, glaubst du jetzt auch, daß ich eine Schamanin bin?«
    Er lächelte, mit komisch herabgezogenen Mundwinkeln.
    »Wie soll ich dich anders bezeichnen?«
    Ich lehnte mich zurück. Mein ganzer Körper klebte.
    »Worüber habe ich gesprochen?«
    Er drückte meine Hand.
    »Daisuke hat nichts darüber gesagt. Übrigens sind die Orangen von ihm. Sobald es dir bessergeht, will er dich sehen.«
    »Hattest du Angst?«
    »Ich möchte das nicht ein zweites Mal erleben. Und für dich muß es ganz schauderhaft gewesen sein.«
    »Schauderhaft ist das richtige Wort. Das verdammte Ding klebte auf meinem Gesicht wie ein Krake. Wenn du mit dunklen Mächten herumpfuschst, brauchst du eine Schutzvision, hatte mir Daisuke gesagt. Auf einmal kam mir die Schlange in den Sinn. Die Schlange, die in der Sturmnacht bei dir war. Also visualisierte ich sie. Und plötzlich war die Schlange in mir, in meinem Kopf. Sie war verwickelt wie ein Seil. Ich sah, wie sie sich spannte, sich aus der Hirnhaut emporhob…«
    Er holte kurz und zischend Atem.
    »Der DNS-Doppelstrang! Jetzt verstehe ich!«
    »Oh!« rief ich und richtete mich auf. Der Zusammenhang wurde mir plötzlich klar. »Das war es, Kunio! Meine eigene DNS-Struktur! Der Anblick war unglaublich, überwältigend!
    Die Maske nahm ich überhaupt nicht mehr zur Kenntnis.«
    »Und somit verlor sie ihre Macht über dich. Aber deine Nerven wurden dadurch zu stark belastet. Deswegen bist du hier.«
    Wir starrten uns an, beide ziemlich aufgewühlt. Nach einer Weile sagte ich:
    »Du und ich, sind wir nicht ein seltsames Gespann?«
    Er grinste und seufzte im gleichen Atemzug.
    »Wir können nichts dafür, Ruth. Wir sind – wenn ich mich so ausdrücken kann – dafür vorprogrammiert. Und müssen trotzdem versuchen, so normal wie möglich zu leben. Ich kenne mich in diesen Dingen wenig aus. «
    Ich legte meine Hand auf die seinen.
    »Da können wir uns bei unseren Vorfahren bedanken. Die haben uns das auf den Buckel geladen. Ich bin ihnen überhaupt nicht dankbar deswegen. Es ist eine ziemliche Scheiße, finde ich. Aber wir werden schon damit zurechtkommen.«
    »Und kein Drama daraus machen.«
    »Bloß nicht!« sagte ich, wieder ganz entspannt, und nun lä-
    chelten wir beide.
    Der Priester und seine Frau besuchten mich am nächsten Tag mit einer großen Schachtel Yôkan, einer dunklen Paste aus Mungobohnen und Zucker, mit kleinen gelben Maronen be-spickt. Yôkan, in dünne Scheiben geschnitten, wird zu grünem Tee

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