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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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zuerst mein Japanisch verbessern.«
    Die Rektorin sprach heiter ein paar Worte. Naomi lachte.
    »Sakamoto-San sagt, daß die Kinder gute Lehrer sind.«
    Nun zog die Dame im blauen Couture-Kostüm eine schlichte, aber erlesene Visitenkarte aus ihrer Handtasche und überreichte sie mir. Ich sollte sie anrufen, ein Treffen abmachen, um alles Weitere zu besprechen. Ich verbeugte mich dankend.
    Sie verabschiedete sich nach einer Verbeugung, die sehr herzlich wirkte. Wir sahen ihr nach.
    »Sie ist wirklich sehr sympathisch«, meinte ich.
    »Ich habe ein bißchen von dir erzählt«, sagte Naomi. »Sie scheint große Stücke auf dich zu halten.«
    »Und ihre Prozesse?«
    »Das bringt sie nicht aus der Ruhe. Sie stammt aus einer sehr angesehenen Familie, ein ehemaliges Samurai-Geschlecht. Sie hat Reserven.«
    Kunio trat wieder zu uns. Jetzt, wo die Rektorin nicht mehr dabei stand, wurde die Unterhaltung sofort zwanglos. Beide schienen glücklich, sich wiederzusehen. Sie sprachen lebhaft, stellten sich gegenseitig Fragen. Nach einer Weile sagte Kunio zu mir: »Entschuldigen Sie, daß wir Japanisch sprechen. Aber Naomi und ich haben uns jahrelang aus den Augen verloren.
    Ich wußte nicht einmal, daß sie verheiratet ist und einen Sohn hat.«
    »Er ist vierzehn und fast schon so groß wie ich«, sagte Naomi stolz. »Weil wir so viel unterwegs sind, lebt er bei meiner Mutter in Kobe – du kennst sie ja. Morgen gehe ich zu meinem Mann nach Tokio und im Herbst wieder nach Europa. Keita hat im Ausland viel Erfolg. Jetzt wollen wir ein neues Stück insze-nieren.«
    Sie hob ihr Gesicht zu ihm empor, strich ihr Haar aus der Stirn, das der Wind zerzauste. Ich betrachtete den heiter lä-
    chelnden Mund, die goldbraunen, ungetrübten Augen. Ihre Worte hatten keinen falschen Klang. Mich überkam ein seltsames Gefühl, eine Mischung aus Nachsicht und Schmerz. Es war eine Verteidigung und zugleich eine Exhibition. Sie wußte, daß sie ein Märchen spielte. Aber sie wollte glücklich erscheinen, und es gelang ihr auch. Gab es für sie irgendeinen anderen Trost?
    Eine junge Frau kam an die Tür und rief nach Kunio, der zu-rückwinkte und lächelnd seufzte.
    »Es tut mir leid, aber die Kinder verlangen nach mir. Sie malen Bühnenbilder und haben offenbar ein Problem.«
    Wir lachten und verabschiedeten uns. Er ergriff meine Hand, hielt sie mit einem sanften, sehr persönlichen Druck.
    »Vielleicht bin ich am Dienstag in Kyoto.«
    »Das würde mich freuen.«
    Er ließ meine Hand nicht gleich los. Ich fühlte sein unsichtbares Zittern und auch, daß die Handfläche etwas klamm war; daran merkte ich, daß er ebenso aufgewühlt war wie ich. »Also, bis bald«, sagte er und wandte sich ab. Ich sah ihm nach, mit einer Empfindung plötzlicher Kühle.
    »Weißt du, wer er ist? « brach Naomi nach einer Weile das Schweigen.
    »Er hat mir seinen Namen gesagt.« Meine Stimme hörte sich belegt an. »Wer ist er denn? Nicht irgendwer, scheint mir.«
    »Nein, nicht irgendwer. Sein Vater ist Kunihiko Harada.«
    Sie machte eine bedeutsame Pause, bemerkte, daß mir der Name nichts sagte und fügte eine Erklärung hinzu:
    »Er ist Schwertschmied. Heutzutage wohl der berühmteste in Japan. Eine Art lebendiges Denkmal. Man kann ruhig sagen, ein Anachronismus. So etwas findet man nur noch bei uns.«
    Meine Kehle wurde plötzlich eng.
    »Und er? Kunio, meine ich.«
    Sie zeigte ihr seltenes Lächeln.
    »Er gefällt dir, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht genau, warum«, sagte ich.
    Sie nickte, halb belustigt, halb ernst.
    »Du brauchst dir keine Gedanken zu machen, so etwas merken die Männer.«
    »Natürlich. Wie alt ist er eigentlich?«
    »Ein halbes Jahr jünger als ich. Wir gingen in die gleiche Klasse. Er sollte das Handwerk des Vaters übernehmen, aber daraus wurde nichts. Er ist der einzige Sohn, seine jüngere Schwester lebt in Kyoto. Der alte Herr soll eine Zeitlang krank gewesen sein. Aber Kunio erzählte mir, daß er im Februar im Museum für schöne Künste, in Philadelphia, ausgestellt hat.
    Offenbar ist er wieder auf dem Damm. «
    »Soviel ich weiß, will Kunio unterrichten«, sagte ich. »Geschichte und Philosophie.«
    »So? Hat er sein Studium abgeschlossen? Er sagte, daß er ziemlich lange in Amerika war. Ich weiß noch, da war irgend etwas mit ihm, als wir zusammen zur Schule gingen. Die Sache kam sogar in die Zeitung.«
    Ich lächelte, wenn auch nur flüchtig. »Hat er eine Dummheit gemacht?«
    »Eine Dummheit? Nein. Nicht in diesem Sinne. Er soll

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