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Seidentanz

Seidentanz

Titel: Seidentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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langweilig?«
    Fältchen zeigten sich in seinen Augenlidern. Er schien doch älter zu sein, als ich dachte.
    »Wenn ich mir eine Katze anschaffe, geht es vielleicht.«
    Er lachte; ich lachte auch.
    »Ja, eine Katze wäre nicht schlecht. «
    Unser Lachen erlosch fast gleichzeitig. Wir blickten uns an.
    »Sind Sie zum ersten Mal in Japan?« fragte er.
    »Zum ersten Mal, ja.«
    »Und wie finden Sie Japan?«
    Ich dachte über die Frage nach, die weniger banal war, als sie schien, weil er sie in einem ganz bestimmten Ton stellte.
    »Das kann ich Ihnen nicht genau sagen. Immerhin glaube ich, es würde mir schwerfallen, es nicht zu lieben.«
    »Man sagt vieles über Japan.«
    Ich zog die Schultern hoch.
    »Die Leute deuten gerne zum Schlechtesten, nie zum Besten.
    Es ist alles so alltäglich.«
    »Ich würde sagen, langweilig. Und wozu sind Sie in Japan?«
    Ich deutete auf Naomi, die mit einer lebhaften, dunkel gekleideten Frau an der Tür stand und sprach.
    »Ich wohne bei meiner Freundin, in Kyoto.«
    Er blickte sie aufmerksam an.
    »Ist das nicht Naomi Araki?« Er nannte sie bei ihrem Mädchennamen und schien erfreut, sie zu sehen.
    »Ja. Kennen Sie sie?«
    »Aber sicher. Wir wohnten im gleichen Dorf und gingen zusammen zur Schule. Später gab sie im Onjôkan Klavierstunde, aber da war ich schon weg. Sie ist Butoh-Tänzerin geworden, nicht wahr?«
    Ich nickte.
    »Sie hat mich mit Sagon Mori, einem Bugaku-Lehrer bekannt gemacht. Er wird mich unterrichten.«
    Seine Augen zogen sich überrascht zusammen.
    »Sie lernen bei Mori-Sensei? Seit wann?«
    »Ich bin am Dienstag zum ersten Mal bei ihm. Ich soll vor-tanzen. Kennen Sie ihn?«
    »Nicht sehr gut. Meine Großmutter kennt ihn besser. Dann sind Sie also für eine Weile hier?« setzte er hinzu. »Ohne festen Zeitplan?«
    »Ich nehme an, ja.«
    Sein Gesicht war glatt, fast ausdruckslos, aber seine Augen glänzten stärker.
    »Ich bin froh, Ihnen begegnet zu sein.«
    Wir lächelten einander zu. Zwischen uns war plötzlich eine Befangenheit entstanden. Mir fiel auf, daß er nur wenig größer war als ich. Er stand so nahe, daß ich den Baumwollduft seines T-Shirts riechen konnte, und darunter den Geruch seiner glatten, zimtfarbenen Haut.
    »Es wäre wirklich schade gewesen, wenn Sie bald abgereist wären«, meinte er.
    Ich sah ihm in die Augen.
    »Kyoto ist sehr schön. Und ich habe noch vieles nicht gesehen.«
    Er nickte und fragte in beiläufigem Ton:
    »Wann sind Sie am Dienstag bei Mori-Sensei?«
    »Am Abend. Er unterrichtet mich bis neun.«
    »Haben Sie anschließend etwas vor?«
    »Ich denke, daß ich dann wohl Hunger haben werde.«
    Er lachte und wollte etwas sagen, als Naomi mit der Frau im blauen Kostüm auf uns zutrat. Sie war klein, elegant und hatte leichte O-Beine. Ihr Gesicht drückte Stolz und Güte aus. Das fast maskuline Kinn und die hoch angesetzten Backenknochen zeigten jene ausdrucksvolle, herbe Anmut, die man oft bei Flamenco-Tänzerinnen beobachtet. Sie hatte eine schmale Nase, blitzende Augen und schön geformte, großzügige Lippen.
    Ihr tiefschwarzes Haar trug sie nach hinten gekämmt und zu einem perfekten Knoten geschlungen. Naomi und Kunio tauschten einen erfreuten, aber zurückhaltenden Gruß, bevor Kunio sich mit höflicher Verbeugung entfernte und Naomi mich der Dame vorstellte.
    »Sakamoto-San hat dich mit den Kindern spielen gesehen.
    Sie wollte dich kennenlernen.«
    Ich wurde ein bißchen rot.
    »Es tut mir leid, daß ich mich eingemischt habe.«
    Chiyo Sakamoto bewegte lebhaft verneinend die Hand, wobei sie lächelnd ein paar Worte sagte. Naomi dolmetschte.
    »Man sähe sofort, daß du in diesen Dingen Erfahrung hast.«
    »Ich arbeite mit geistig Behinderten«, erklärte ich. »Dabei stütze ich mich auf Kindheitserinnerungen. Sie helfen mir, den Patienten näher zu sein. Die Therapie muß den Patienten Spaß machen.«
    Chiyo Sakamoto nickte konzentriert. Ihre schwarzen Augen sprangen aufmerksam zwischen Naomi und mir hin und her.
    Schließlich sprach sie ausführlich. Ich folgte den schönen knappen Gesten, mit denen sie ihren Worten Nachdruck verlieh, bis sich Naomi wieder mir zuwandte.
    »Sakamoto-San fragt, ob du Freude hättest, den Kindern Spiele und Pantomimen aus anderen Ländern beizubringen. Die Schule ist offen für alle Anregungen und empfängt nicht selten Gäste aus dem Ausland.«
    Ich lächelte; aus den Augenwinkeln sah ich, wie Kunio einem Kind half, eine Schnur um einen Kreisel zu wickeln.
    »Mit Vergnügen. Aber ich will

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