Seidig wie der Tod
hatte. Nein, versicherte sie sich dann. Sie hatte ihre Spuren gut verborgen.
„Mein Schurke ist diesmal ein Vergewaltiger“, sagte Roman.
Desiree runzelte die Stirn. „Ihr letztes Buch handelte auch schon von einem Vergewaltiger. Wenn Sie nicht aufpassen, Roman, wiederholen Sie sich.“
„Der Täter aus
Killing Her Softly
entkommt.“
„Peter Harrington flieht? Aus dem Gefängnis?“
„Aus der Krankenstation.“
„Warum?“
„Warum er flieht? Aus dem gleichen Grund, aus dem andere verrückt werden. Er erträgt es nicht, eingesperrt zu sein.“
„Das meinte ich nicht.“ Sie warf ihm einen prüfenden Blick zu. „Ich wollte wissen, warum Sie wieder über ihn schreiben.“ Peter Harrington war einer der übelsten erfundenen Charaktere, über die sie je gelesen hatte. Der Gedanke, jemand wie er könne im wirklichen Leben frei herumlaufen, war überaus beunruhigend.
„Warum?“, wiederholte Roman. Wie sollte er ihr erklären, dass ihm keine andere Wahl blieb? Dass er gezwungen war, die immer brutaleren Verbrechen seiner letzten Romangestalt mitanzusehen? Verbrechen, die sich als nur allzu real erwiesen, so unmöglich dies auch scheinen mochte.
Desiree nickte.
„Ich weiß es nicht.“
Seiner Antwort schien, obwohl sie keinerlei Sinn ergab, eine versteckte Bedeutung anzuhaften. Schweigen legte sich über den Raum, bis Desiree nicht mehr wusste, ob sie schreien oder weinen sollte. Sie wollte gerade beides tun, als ein Geräusch abrupt die Stille brach.
„Gerettet durch den Piepser“, bemerkte Roman, als Desiree aufsprang und das kleine, elektronische Gerät aus ihrer Tasche nahm.
„Es ist einer meiner Produzenten. Adrian Beauvier.“
„Ruft er Sie immer –“ Roman schaute auf die Uhr – „so spät an?“
„Er ist wie das Café du Monde. Die ganze Nacht geöffnet“, erwiderte sie. „Darf ich Ihr Telefon benutzen?“
„Selbstverständlich.“ Er begriff, dass sein Vorhaben, die neu gewonnene Vertrautheit zwischen ihnen auszunutzen, auf später verschoben werden musste.
„Ich bin’s“, sagte Desiree, als ihr Produzent sich meldete.
„Er hat wieder zugeschlagen.“ Beauvier brauchte sich nicht näher dazu auszulassen; Desiree überlief ein Frösteln. „Sie haben das Mädchen im Whooping Crane Pond im Audubon Park gefunden.“
„Im Teich?“, fragte sie überrascht und sah, wie Roman ihr einen scharfen Blick zuwarf.
„Ja. Die Polizei hat nicht viel dazu verlauten lassen, aber unser Vergewaltiger scheint den Einsatz erhöht zu haben. Diesmal hat er das Mädchen umgebracht, Des.“
Das war es, was sie befürchtet hatte. Als sie auflegte, beschloss sie, dass sie das Abkommen mit O’Malley nicht länger einhalten konnte. Wenn die Stadt nichts tat, um die Frauen von New Orleans vor diesem Ungeheuer zu beschützen, würde sie sie eben vor den Gefahren warnen müssen. Und falls sie dazu mit dem Vergewaltiger und Mörder Kontakt aufnehmen musste, war sie bereit, auch das zu tun.
9. KAPITEL
D ie Szene war ähnlich wie jene auf dem Friedhof.
Der Park war hell erleuchtet; zahlreiche Streifenwagen und eine Ambulanz parkten hinter der gelben Polizeiabsperrung.
Desiree, die ein Auge für Details besaß, bemerkte jedoch auch Unterschiede. Im Gegensatz zu jener anderen Nacht stand der Fahrer heute neben seinem rot-weißen Krankenwagen und rauchte eine Zigarette, was bedeutete, dass seine Dienste nicht sofort benötigt wurden.
Anders war auch, dass die meisten Polizisten außerhalb der Polizeiabsperrung standen, um die Szene des Verbrechens noch besser vor Neugierigen abzuschirmen.
Adrian hatte recht. Mit dieser letzten Tat hatte der Vergewaltiger seinen Einsatz erhöht, und O’Malley hatte, was niemanden überraschte, entsprechend reagiert.
„Tut mir leid, Miss Dupree.“ Einer der Beamten hielt sie auf, als sie unter dem gelben Band hindurchgleiten wollte. „Ich darf niemanden vorbeilassen.“
Desiree nickte. „Ich verstehe“, sagte sie, was allerdings nicht hieß, dass sie sich danach richten würde. Ohne Story würde sie den Schauplatz des Verbrechens nicht verlassen, das war klar. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt, dachte sie.
„Könnten Sie mir einen Gefallen tun, Officer?“, fragte sie, und ihre Stimme nahm jenen sanften, beruhigenden Tonfall an, der ihr in ihrem Job so ungeheuer nützlich war. Es war ihr: „ich-möchte-dein-Freund-sein“-Ton, aber es war auch die Stimme einer Frau, die einen Mann dazu verlocken wollte, zu tun, was sie für richtig hielt. Wie fast
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