Seidig wie der Tod
einem Onyx. „Der gehörte meinem Großvater. Mein Vater gab ihn mir, um mir zu Bewusstsein zu bringen, dass ich ein Falconer war.“
„Sie hatten Glück.“
Er lächelte. „Ja.“
„Warum haben Sie eigentlich Ihren Beruf als Staatsanwalt aufgegeben?“, wechselte Desiree das Thema.
Roman schien einen Moment zu zögern. „Einerseits natürlich, weil ich schreiben wollte. Andererseits jedoch ertrug ich es wohl nicht mehr, dass ich nicht alle Prozesse gewinnen konnte. Und wenn ich tatsächlich eine Verurteilung erreichte, war es für das Opfer meist zu spät.“
„Ah.“ Desiree glaubte zu verstehen. „Sie hatten also einen Supermann-Komplex.“
„Keine Ahnung.“ Er zuckte verlegen mit den Schultern. „Ich weiß nur, dass ich, wenn ich schreibe, die Welt beherrsche, die ich schaffe, und dass nichts ohne meine Zustimmung darin geschieht.“ Das war nicht die ganze Wahrheit, nicht länger jedenfalls. Aber Roman dachte nicht daran, diese Information mit Desiree zu teilen. „Und wenn das Buch zu Ende geschrieben ist, haben die Guten gewonnen.“ Das hoffte er zumindest.
„Ich liebe Happy Ends“, stimmte sie lächelnd zu, während sie sich fragte, wieso wieder dieser Schatten über seine Züge huschte.
Um die düstere Stimmung zu vertreiben, erzählte Roman ihr von einer Vortragsreise, die er erst kürzlich gemacht hatte – „eine Reise in die Hölle und zurück in vierzehn Tagen“. Eine seiner lustigsten Anekdoten betraf eine Leserin aus dem Publikum, die plötzlich aufsprang und behauptete, er sei ihr lang vermisster Ehemann.
„Ich glaube, ich kenne ihren Mann“, sagte Desiree lachend. „Ich war in einem früheren Leben mit ihm verheiratet.“
„Aha.“ Er nickte und füllte ihre Gläser. „Vielleicht war er es, der die Blumen schickte.“
„Vielleicht.“ Ein Frösteln erfasste sie, dass nicht das Geringste mit der kalten Dezembernacht zu tun hatte.
Roman bemerkte die Veränderung in ihrer Stimmung und fragte sich nach ihrem Grund. Ein Bild erstand vor seinen Augen – eine Vision von Desiree neben einem kleinen Teich. Sie trug ein durchsichtiges weißes Nachthemd, das der eisige Wind an ihren Körper presste, ihr Haar fiel ihr offen auf den Rücken und umzüngelte ihr Gesicht wie Flammen. An ihrer Brust hielt sie einen Strauß blutroter Rosen.
Als er die Tränen in ihren Augen schimmern sah, war Roman, als hätte ihm jemand ein Stilett ins Herz getrieben.
„Roman?“ Sie sah, dass er die Augen schloss und den Mund verzog, als ob er große Schmerzen litte. „Fühlen Sie sich nicht wohl?“
„Doch, doch“, erwiderte er erstickt. „Entschuldigen Sie. Ich dachte nur gerade an etwas anderes.“
„Ihr Buch?“ Er hatte von einem neuen Roman gesprochen, an dem er schrieb, ihr jedoch nichts über die Handlung verraten.
„Ja.“ Das stimmte, mehr oder weniger jedenfalls. Roman fragte sich, was sie sagen würde, wenn sie wüsste, dass seine Heldin mit der Zeit immer mehr Charakterzüge von Desiree Dupree aufwies.
„Entschuldigen Sie“, sagte er. „Aber wenn ich an einem Buch arbeite, schweifen meine Gedanken manchmal ab.“
„Das verstehe ich. Spielt Ihr neuer Roman auch hier in New Orleans?“
„Zum größten Teil. Aber einige Szenen finden auch in den Bayous statt.“
Das war eine weitere Überraschung für ihn gewesen. Sonst pflegte Roman seine Handlungen in allen Details vorauszuplanen, und in seinen früheren Büchern war er nie von der Synopse abgewichen. Diesmal jedoch hatte nicht nur seine Heldin Desirees Charaktereigenschaften angenommen, sondern noch eine weitere Gestalt war aus den trüben Tiefen seiner Vorstellungskraft aufgestiegen. Ein finsterer, zerstörerischer Teufel, geboren aus den undurchdringlichen Nebeln der Sumpfgebiete Louisianas.
Desiree erschauderte bei der Vorstellung, die seine Antwort in ihr erzeugte. „Ich sehe schon, dass dies ein weiteres Buch sein wird, bei dem ich alle Lampen brennen lassen muss, wenn ich es lese.“
Er zuckte mit den Schultern. „Wie mein Agent zu sagen pflegt, Erotik und Gewalt verkaufen sich.“ Er lieferte Gewalt. In Mengen. Und Desiree Erotik.
„Ja“, stimmte sie zu. Seine Augen waren so schmal geworden, dass es ihr ein leises Unbehagen einflößte.
Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, während Roman darauf wartete, dass sie nun über ihre schriftstellerischen Erfolge sprach, und Desiree sich wieder fragte, ob er wusste, dass sie die Autorin der erotischen Romane war, die sie in seiner Bibliothek gefunden
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