Seifenblasen kuesst man nicht
hatte zwar eine Plane über dem Anhänger, aber die Zeitungen wurden trotzdem nass. Fluchend stopfte sie sie in die Briefkästen und Röhren. Seit dem letzten Schultag hatte sie nichts mehr von Laura gehört.
Halt, das stimmte nicht. Laura rief gefühlte dreiÃig Mal am Tag an, aber nie ging Coralie an ihr Handy. Sie wollte nicht mit ihr reden. Der Schmerz und der Vertrauensverlust saÃen einfach zu tief. Was war schiefgelaufen? Die beste Freundin behielt ihre Zukunftspläne für sich und hielt die von Coralie für ⦠für was? Eingeredete Träumerei?
Dafür schufte ich nicht seit Wochen, dachte sie grimmig. Dafür stehe ich nicht jeden Morgen um drei Uhr auf. Dafür laufe ich nicht in tropfnassen Chucks durch die Pfützen. Sie steckte die nächste Zeitung mit so einer Wut in den Kasten, dass die Titelseite als aufgeweichtes Papierknäuel drauÃen hängen blieb. Egal. Sollten die Leute froh sein, bei diesem Wetter überhaupt was zum Lesen zu haben. Als sie in den Tannenweg einbog, stand Asta mit einem Schirm vor dem Gartentor und schüttelte den Kopf.
Also wieder keine Nachricht von David. Das war ja klar. Eigentlich wartete sie nur noch auf Davids Einladung, um sie ihm theatralisch vor die FüÃe zu werfen.
Nach allem, was René ihr erzählt hatte, wollte Coralie mit den Rumers am liebsten gar nichts mehr zu tun haben. Aber sie hatte ein Versprechen gegeben ⦠wenn er mit seinem Vater reden würde. Sie steckte die nächste Zeitung in den Kasten und zog die Kapuze ihrer Regenjacke noch tiefer ins Gesicht. Warum lieà sie sich ständig von anderen Leuten in die Zwickmühle bringen? Das Autogramm von Casper â damit Laura sich vor Jimi nicht unendlich blamierte. Ihr braves Pfötchen-Geben bei Davids Sponsoren â damit die nicht absprangen und ihm noch eine Chance gaben. Und sie? Wer dachte an sie?
Das hätte sie David natürlich gerne persönlich gesagt. Mit ganz groÃem Auftritt und die Einladung vor die FüÃe pfeffern â wenn sie sie denn gehabt hätte. Das war vielleicht die gröÃte Niederlage. Erst händeringend um Hilfe gebeten werden â und dann vergessen.
Dabei waren sie immerhin eine halbe Stunde ⦠Noch so eine ungeklärte Frage! Ein Paar gewesen? Zu viel. Bekannte? Zu wenig. Beziehungsstatus: Es ist kompliziert bzw. es gibt keinen. Zu diesem Schluss schien wohl auch David gekommen zu sein. Merde .
Coralie warf zwei Exemplare für die Rumers über das Garagentor. Sie hörte, wie sie auf den Boden klatschten. Im selben Moment tat es ihr leid. Nicht wegen der Hausbewohner. Solche dämlichen Aktionen wurden vom Lohn abgezogen.
»Guten Morgen!«, rief Asta und eilte über das Kopfsteinpflaster auf sie zu. Dabei hob sie den Kimono an, um den Saum wenigstens halbwegs trocken zu halten. »Kind, komm rein. Der Tee ist schon fertig. Nur fünf Minuten, die müssen doch bei so einem Wetter drin sein!«
Coralie stellte das Rad ab. Zum einen, weil gegen Astas Entschlossenheit keine Entschuldigung half, zum anderen, weil sie wirklich eine Pause brauchte. Sie fühlte sich schlapp und ausgelaugt. Hoffentlich wurde sie nicht krank.
Der Tee roch zumindest so, als würde er jede Art von Infekten schon beim Inhalieren heilen.
»Salbei, Minze, Kamille, Fenchel â¦Â« Asta goss ein und schob den Teller mit den unvermeidlichen Haferkeksen über den Tisch.
Coralie schüttelte den Kopf. »Danke. Ich hab schon gefrühstückt.«
»So siehst du aber nicht aus. Ganz dünn bist du geworden. Kommt das vom Tanzen oder hast du Kummer?«
»Nein, nein. Halt. Abschiedskummer vielleicht.«
Asta setzte die Kanne ab, aus der sie sich eben nachgeschenkt hatte. Stille breitete sich aus. In dieser Stille stand, wohl nur für sie beide sichtbar, ein riesengroÃes Fragezeichen. Jeden Morgen hatte Coralie gefragt, ob es Nachricht von David gab. Jeden Morgen die gleiche Antwort: Nein.
»Am Freitag ist meine Vertretung zu Ende. Die vier Wochen sind rum. Ich war doch nur die Aushilfe.«
Coralie schenkte der alten Dame ein Lächeln, das irgendwie entschuldigend wirken sollte. Sie hatte das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen. So, als ob sie vor der Zeit die Segel strich. Dabei kamen ihr diese vier Wochen vor wie die längsten ihres Lebens.
Asta nahm sich gedankenverloren drei Stück Zucker. »Das hatte ich ganz vergessen«, sagte sie. »Dann
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