Seilschaft (German Edition)

auch ohne Erschwernis durch Tiefschnee. Nico bemerkte plötzlich, dass Jason ihn intensiv musterte mit der ganzen Gier eines fanatischen Schokoladenliebhabers. Er hielt mitten im Biss inne und ließ den Schokoriegel sinken.
    «Willst du was davon?», fragte er langsam.
    «Nein, alles klar. Ich sehe dir nur gern beim Essen zu», lächelte Jason. Nico kniff bei dieser sonderbaren Vorstellung die Augen zusammen, aber er war zu hungrig, um sich über Jasons abartige Vorlieben Gedanken zu machen. Höchstwahrscheinlich würde er die meisten davon in dieser Nacht kennen lernen. Vorsichtig kauend sah er, wie Jason seine Position veränderte und Nicos Rucksack zu ihm schob. Der Schokoriegel wurde wieder gesenkt.
    «Hey!»
    «Erste Regel, Nic», alles Vergnügen war aus Jasons Stimme verschwunden. Sie war jetzt kalt, gleichmütig und geschäftsmäßig. Seine Hände durchwühlten die Seitentaschen. «Du beschwerst dich über nichts. Nicht über den Schnee, nicht über die Temperatur, nicht über die Regeln. Hast du kapiert?»
    «Was suchst du?» Nicos Stirnrunzeln vertiefte sich dramatisch. Jason hielt inne, als er die Sonnencreme herausfischte. Er betrachtete sie nachdenklich, dann warf er sie achtlos zur Seite.
    «Wo ist deine Kamera?»
    Nico knurrte vor sich hin, aber er beugte sich vor und öffnete einen Reißverschluss, zog die Kamera hervor und reichte sie weiter.
    «Da!» Nico bemühte sich, seine Stimme auf einem passenden Level zu halten, aber sie war hart. Jason untersuchte die Kamera, checkte die verbliebenen Bilder.
    Nach Nicos Erinnerung mussten es mindestens sieben sein. Brillant. Wie toll, dass er welche übrig gelassen hatte ...
    «Danke», kommentierte Jason, immer noch die Kamera begutachtend. Er hielt sie vor sein Auge, dann platzierte er sie auf seinem Oberschenkel in empfindlichem Gleichgewicht. Nico wurde dem berechnendsten Blick ausgesetzt, dem er je begegnet war. Oh, Jason dachte gründlich nach.
    «Ich nehme an, das ist so eine Art kleinliche Rache», sagte Nico kühl. Jason hob die Augenbraue und zuckte leicht mit den Schultern.
    «Man könnte wohl so manche Bezeichnung dafür finden», antwortete er. «Warum, ist das eine Beschwerde?», mit sanfter Stimme.
    Nico knirschte mit den Zähnen und hielt seine Zunge im Zaum.
    Jason sah fast enttäuscht aus, dass Nico die Regel beachtete, und der berechnende Blick kehrte zurück.
    «Heute tust du, was ich sage. Meine Regeln, meine Ansage, mein Spiel. Wird spaßig, hm?» Ein kaltes Lächeln im Mundwinkel. Nico war plötzlich dem bösen, eisigen, psychotischen Blick ausgeliefert, der an irgendeinem Punkt die meisten von Jasons Schurken-Darstellungen kennzeichnete, und er unterdrückte den Impuls zu zittern. Zittern bedeutete, dass er Angst vor ihm hatte, und das ... nun, das sollte er auf jeden Fall nicht zugeben.
    «Ich dachte, du machst so was nicht. Hetero, war doch so, oder?», knurrte Nico nach einer Pause.
    «Ich bin gekränkt. Du hast doch keine Ahnung, was ich vorhabe. Vielleicht nur Campinglieder singen um ein Feuer. Oder, in diesem Fall, die Taschenlampe.» Jason schien Nicos Ärger nichts auszumachen.
    «Und, willst du das?» Nicos Stimme verbarg nicht den Zweifel. Jason schnaubte.
    «Natürlich nicht. Aber das heißt nicht, dass du Vermutungen anstellen darfst. Ist sicherer für dich, wenn du’s nicht tust.»
    «Du hast meine Frage nicht beantwortet, Jason. Dachte, du bist hetero.» Nico musterte ihn genau. Jason gähnte und lehnte sich zurück.
    «Zweite Regel, Nic. Keine Fragen.»
    Nico grunzte verärgert und wollte sich wegdrehen, als Jason seinen Arm schnappte. Die Kamera, die in delikater Balance auf Jasons Bein ruhte, plumpste hinunter. Nico sah zornig intensive Augen nur Zentimeter vor seinen.
    «Ich verrate dir ein kleines Geheimnis, Nico.» Jason starrte ihn an, und es war keine Spur von seinem alten Freund, Gott, nicht einmal eine Spur von Menschlichkeit in diesem Blick. «Ich bin nicht besonders glücklich. Genau gesagt bin ich stinksauer, aber ich sollte mich davon nicht runterbringen lassen, was? Nein. Denn ich habe ja dich dafür, damit ich mich bald besser fühle.» Jason senkte seine Stimme ein wenig. «Und das werde ich, glaub mir. Die ganzen Sorgen der letzten Tage werden verfliegen, nicht wahr, Nic?»
    Nico suchte nach einer Antwort, die Regel 2 nicht brach.
    «Du wirst alles nur schlimmer machen, weißt du?», sagte er leise. Jason sah ihn ungläubig an and lachte röhrend, Nico loslassend.
    «Ich mache es schlimmer? Es