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Seilschaft (German Edition)

Seilschaft (German Edition)

Titel: Seilschaft (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Perridge , Cliff Morten
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zu betteln. Gott weiß, wohin ihn das führen sollte. Aber Jason zog die Gurte seines Rucksacks fest, als ob er gehen wollte. Er wandte sich schon dem Pfad zu, dem Nico gefolgt war, bis Mitgefühl und Sorge ihn schwach werden und zurückblicken ließen.
    «Du hast dich da in eine schlimme Situation gebracht», Jasons Ton war fast geschwätzig, plaudernd. «Schlimm, schlimm. Hättest du das bloß ein, zwei Stunden später getan, dann wärst du vielleicht so nahe an der Hütte, dass man dich rechtzeitig finden würde. Und die Steilstücke lägen schon hinter dir. Aber so ...», er schüttelte mit geheucheltem Bedauern den Kopf. «Dumm gelaufen, was?»
    «Was willst du?» Nicos Stimme war ruhig, aber sein Herz raste. Jason sah ihn spöttisch an.
    «Wie bitte? Was ich will, Nic, ist, von diesem scheißverfluchten Hügel runterzukommen, ein Bad zu nehmen und ein Bier zu trinken, vorzugsweise während eines Fußballspiels im Fernsehen. Und ich könnte das alles heute noch kriegen, meinst du nicht?» Jason fauchte. «Hier noch mehr Zeit zu verlieren, der Gedanke gibt mir wirklich den Rest. Es sei denn ...», Jasons Blick verknotete sich mit Nicos, «... du sorgst dafür, dass es mir die Sache wert ist.»
    Nico versuchte seine Stimme zu finden, doch sie versagte ihm. Sein Gelenk klopfte schmerzhaft.
    «Und was», fragte er heiser, «heißt das?»
    Jason sah zum Pfad hinüber. Nico konnte sein Gesicht nicht sehen, aber er wusste, dass dort ein Grinsen versteckt war, eins von der zähnezeigenden Sorte, das einem Nil-Krokodil gestanden hätte. Jason stellte seine nächste Frage mit kindlicher Fröhlichkeit. «Sag mal, deine Ka-mera ... ist da noch Film drauf?»
    Ah, das Gleichgewicht der Macht. Wie leicht kann es kippen ...

Sturz ins Leere

    Ein neues Biwak war gegraben, und diesmal konnte Nico etwas mehr Sorgfalt darauf verwenden. Mehr als ein paar Zentimeter weit zu sehen und nicht halb steif gefroren zu sein half beträchtlich. Man konnte Feinheiten berücksichtigen. Und die nicht ganz so angenehmen Aspekte der Situation vorübergehend verdrängen.
    Nico konnte Jasons Grinsen in seinem Rücken spüren. Als ob eine Raubkatze hinter ihm lauerte und sich schon einmal genüsslich die Lippen leckte. Er konnte es sich nicht leisten, Jason zum Teufel zu wünschen. Sein Gelenk hatte sich etwas beruhigt, aber schrille Schmerzen durchzuckten ihn, sobald er sein Gewicht darauf verlagerte, und das würde nicht über Nacht durch Schmerzmittel zu beseitigen sein.
    Endlich legte er die Schaufel nieder. Na, wenigstens war ihm jetzt warm. Jason half ihm nicht im Geringsten, mehr aus Mangel an Erfahrung als aus Vergnügen an Sklavenarbeit. Hoffte Nico jedenfalls. Er hatte dem Jüngeren ein paar Seitenblicke zugeworfen, während er grub, aber die Mimik eines Mannes in voller Bergmontur war schwer zu lesen.
    «Fertig?»
    Jason ging einen Schritt vor, nahm die Höhle in Augenschein. «Sieht anders aus als vorgestern.» – «Ja, die andere war ein bisschen hingehudelt», räumte Nico ein und erhob sich vorsichtig. Jason ergriff seinen Arm, als er wacklig um Balance kämpfte.
    Nico nickte ihm zu: «Danke.»
    «Kein Problem.» Jason ließ ihn los und besichtigte wieder ihr neues Heim. Nun, wo er das Sagen hatte, hatte seine gesamte Haltung sich verändert. Vorbei das Meckern, das Motzen, das Schweigen. Er strahlte selbstbewusste Zuversicht aus, allerdings auch Hass. Der würde sich so schnell nicht legen.
    Nico beobachtete Jason, als er seinen Körper durch den Eingang der Höhle schob. Der Schlafplatz war auf einer etwas erhöhten Ebene, darüber das gewölbte Schneedach. Diesmal hatten sie viel Platz. Wofür Jason den nützen würde, war eine andere Sache.
    «Da sind Löcher in der Decke. Zieht das nicht?» – «Das ist für die Luftzirkulation. Nicht, dass du im Schlaf erstickst.»
    Grüne Augen leuchteten ihm im Biwak entgegen. «Ich komme mir vor wie ein Murmeltier in seiner Höhle», sagte Jason fröhlich. – «Du siehst nicht gerade wie eines aus.» Diese Konversation war surreal. Als ob es nie Streit gegeben hätte. Jason räkelte sich übertrieben entspannt, obwohl ein düsteres Flackern in seinen Augen verriet, dass nicht alles so kuschelig war, wie sein Benehmen suggerierte.
    Nico seufzte und holte einen Schokoriegel heraus, riss die Packung mit den Zähnen auf und starrte aus dem Eingang, wo er neuen Schneefall beobachten konnte. Hoffentlich fiel nur wenig. Selbst mit Jasons Hilfe würde der verdammte Abstieg qualvoll genug sein,

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