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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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nachdenken würde. Die Zigarre lag unter seinem Schreibtisch. Er tastete danach und verbrannte sich die Finger. Lautlos in sich hineinfluchend, fischte er die Zigarre endlich hervor und begutachtete, während er zu seinem Stuhl zurückkehrte, den Schaden an seiner linken Hand.
    »Ach ja«, sagte er ins Telefon – ein Mann, der sich gerade erinnert. »Ja, dieses Fahrzeug hatte eine ferngesteuerte Türverriegelung.«
    »Und da war auch der entsprechende Schlüssel dabei, mit der Fernbedienung?«
    »Ja, ja.« Perez begriff nicht, worauf Reeve hinauswollte. Er spürte den Schweiß, der auf seiner Stirn glitzerte, auf seiner Kopfhaut prickelte.
    »Wo ist er dann jetzt?«, fragte Reeve kalt.
    »Was?«
    »Ich bin in der Autowerkstatt. Hier ist kein solcher Schlüssel.«
    Schlüssel Schlüssel Schlüssel. »Ich versteh, was Sie meinen«, improvisierte Perez. »Aber den Schlüssel hat ein früherer Kunde verloren. Ich hab Sie zuerst nicht richtig verstanden. Nein, als Ihr Bruder den Wagen bekam, gab es keine Fern…« Aber Perez sprach schon ins Leere. Reeve hatte die Verbindung unterbrochen. Perez legte auf und kaute so fest an seiner Zigarre, dass er das Ende davon abbiss.
    Er streifte sein Jackett von der Rückenlehne des Schreibtischstuhls, schloss das Büro ab, schaltete die Alarmanlage ein und stieg in sein Auto. Auf der Straße hielt er noch einmal, um das Tor mit der Kette zu verschließen und sich zu vergewissern, dass das Vorhängeschloss auch wirklich eingerastet war.
    Wenn er alles so gründlich überprüft hätte, wäre ihm das grüne Auto aufgefallen, das sich, sobald er losfuhr, an ihn dranhängte.

6
    Kosigin schlenderte zum North Harbor Drive. Ein riesiges Kreuzfahrtschiff hatte gerade an der Landungsbrücke festgemacht. Er lehnte sich gegen das Geländer und schaute hinunter ins Wasser. Segelboote glitten in der Ferne dahin, in einem Winkel zu seiner Blickrichtung, dass sie überhaupt keine Masse zu haben schienen. Als sie wendeten, wurden sie einen Augenblick lang vollends unsichtbar; das war keine optische Täuschung, es war ein Mangel an Sehvermögen. Es blieb einem nichts anderes übrig, als ins Nichts zu starren und darauf zu vertrauen, dass das Boot wieder erscheinen würde. Vertrauen als Stellvertreter der Wahrnehmung. Kosigin wäre ein besseres Sehvermögen lieber gewesen. Er wusste nicht, warum die Evolution es für wünschenswerter erachtet hatte, dass manche Vögel imstande waren, aus einer Höhe von hundert Metern und mehr eine Maus im Gras wahrzunehmen, und der Mensch nicht. Der Trost bestand natürlich darin, dass der Mensch ein Erfinder war, ein Schöpfer von Werkzeugen. Der Mensch konnte Atome und Elektronen untersuchen. Vielleicht war er nicht imstande, sie zu sehen , aber er konnte sie untersuchen.
    Kosigin überließ am liebsten so wenig wie möglich dem Zufall. Selbst wenn er etwas mit bloßem Auge nicht sehen konnte, hatte er Mittel und Wege, auf andere Weise genügend darüber in Erfahrung zu bringen. Er verfügte über geeignete Werkzeuge. Er war mit dem effektivsten und kompliziertesten von ihnen hier verabredet.
    Sich selbst betrachtete Kosigin nicht als besonders kompliziertes Individuum. Wenn man ihn gefragt hätte, wie er eigentlich tickte – und wenn er bereit gewesen wäre, darauf zu antworten -, hätte er eine schlichte und erschöpfende Antwort geben können. Er betrachtete sich eigentlich nur selten überhaupt als Individuum. Er war Teil eines größeren Ganzen, eines Konglomerats von Intelligenz und Werkzeugen. Er war Teil von Co-World Chemicals, ein Unternehmensmensch von Kopf bis zu den handgenähten Sohlen seiner Savile-Row-Schuhe. Es war nicht nur so, dass das, was für die Firma gut war, auch gut für ihn war – den Spruch hatte er durchaus schon gehört, und er war nicht hundertprozentig von dessen Wahrheit überzeugt -, Kosigins Überzeugung ging weiter: Was gut für CWC war, war gut für die ganze westliche Welt. Chemikalien waren eine absolute Notwendigkeit. Um Nahrungsmittel zu produzieren, braucht man Chemikalien; um Nahrungsmittel zu verarbeiten, braucht man Chemikalien; um in einem Krankenhaus oder im tiefsten afrikanischen Busch Leben zu retten, braucht man Chemikalien. Der menschliche Körper ist voll davon und produziert unentwegt welche nach. Chemikalien und Wasser – aus nichts anderem bestehen wir. Um den Hunger in Afrika und Asien zu besiegen, wäre nur eines nötig gewesen: die Handelsschranken zu öffnen und den agrochemischen Unternehmen freie Hand

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