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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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höchste der Gefühle. Was haben Sie denn so gelesen?«
    »Über Anarchismus.«
    »Anarchismus?« Cantona sah ihn ungläubig an. »Anarchismus?«, wiederholte er, als wollte er das Wort testen. Dann nickte er, aber mit einem zweifelnden Ausdruck im Gesicht. »Hilft das?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht.«
    »Was sagen die Ärzte?«
    »Sie sagen, das wär meine letzte Chance. Noch ein Ausbruch, und sie stecken mich in eine geschlossene Anstalt. Ich glaube, sie meinen das ernst.« Er starrte Cantona an. »Warum erzähle ich Ihnen das alles eigentlich?«
    Cantona grinste. »Weil ich zuhöre. Weil ich harmlos bin. Außerdem kommt Sie das eine Stange billiger als eine Therapie.« Dann lachte er. »Ich glaub’s einfach nicht, dass ich einen gottverdammten Anarchisten durch die Gegend chauffiere!«
     
    Der Autoverleih sah eher aus wie ein Gebrauchtwagenpark – ein hoher Zaun, dahinter lange Reihen staubiger Autos. Jenseits des Metalltors, an dem eine Kette und ein Vorhängeschloss hingen, stand ein eingeschossiger Fertigbau – das Büro. Dass es das Büro war, wusste Reeve, weil das auf dem großen Schild stand, das auf dem Dach prangte. Knallbunte Anschläge an den Fenstern versprachen »die besten Preise in der Stadt«, »megagünstige Wochenendtarife« und »schöne, saubere Autos, wenig gefahren und zuverlässig«.
    »Sieht aus wie Rent-a-Wreck, bevor die in die obere Preisklasse aufgestiegen sind«, kommentierte Cantona.
    Sie klopften und traten ein. Das Büro bestand aus einem einzigen Raum, von dem zwei – offen stehende – Türen abgingen. Durch die eine sah man eine Abstellkammer, durch die andere eine Toilette. Am Schreibtisch saß ein Mann in Hemdsärmeln. Er sah mexikanisch aus, war in den Fünfzigern, und zwischen seinen Zähnen klemmte eine lange dünne Zigarre.
    »Meine Freunde«, sagte er und erhob sich halb von seinem Stuhl. »Was kann ich für Sie tun?« Er forderte sie mit einer Geste auf, sich zu setzen, aber Reeve blieb vor dem Fenster stehen, aus dem er gelegentlich hinausschaute, und Cantona leistete ihm dort Gesellschaft.
    »Ich heiße Gordon Reeve.«
    »Einen schönen guten Morgen, Gordon.« Der Mexikaner wedelte mit einem Finger. »Sie kommen mir irgendwie bekannt vor.«
    »Ich glaube, Sie haben am Samstagabend meinem Bruder einen Wagen vermietet.«
    Das Lächeln schmolz dahin. Der Mann nahm die Zigarre aus dem Mund und legte sie in den überquellenden Aschenbecher. »Tut mir leid. Ja, Sie sehen Ihrem Bruder ähnlich.«
    »Waren Sie es, der meinen Bruder bedient hat?«
    »Ja, war ich.«
    »Was dagegen, wenn ich Ihnen ein paar Fragen stelle?«
    Der Mexikaner lächelte. »Sie klingen wie ein Polizist.«
    »Es dient nur meinem Seelenfrieden.« Dann fing Reeve an, auf Spanisch zu reden, und der Mann nickte. Es gehe um die Familie, sagte Reeve. Er müsse diese Erinnerungen für die Familie sammeln und in die Heimat zurücktragen. Der Latino hatte für so was vollstes Verständnis.
    »Sehen Sie«, sagte Reeve jetzt wieder auf Englisch, »ich versuche nachzuvollziehen, in welchem Gemütszustand sich mein Bruder an dem Abend befand.«
    Der Mexikaner nickte. »Ich verstehe. Fragen Sie nur.«
    »Schön, da ist eine Sache, die ich nicht ganz verstehe. Mein Bruder wurde zuletzt in einer Bar in Downtown gesehen, dann scheint er hierhergefahren zu sein. Ein Taxi hat ihn von der Bar abgeholt. Aber auf dem Weg hierher ist er an drei oder vier anderen Autoverleihfirmen vorbeigekommen.« Reeve hatte noch im Hotelzimmer, mithilfe von Stadtplan und Telefonbuch, seine Hausaufgaben gemacht.
    Der Mexikaner breitete die Arme aus. »Dafür gibt es vielleicht eine einfache Erklärung. Zum einen haben wir die niedrigsten Tarife in der Stadt, da können Sie jeden fragen. Um’s kurz und brutal zu sagen: Wenn man nur eine Karre sucht, um ein ruhiges Plätzchen zu finden, wo man sich das Leben nehmen kann, braucht man keinen Lincoln Continental. Zweitens hab ich länger auf als die Konkurrenz. Das können Sie überprüfen. Vielleicht hatten die anderen also schon zu.«
    Warum sollte ich das »überprüfen« wollen?, fragte sich Reeve, nickte aber. »Mein Bruder hatte getrunken«, sagte er. »Wirkte er auf Sie … fahruntüchtig?«
    Aber die Aufmerksamkeit des Mexikaners galt jetzt ausschließlich Cantona, der sich gegen die lärmende Klimaanlage gelehnt hatte. »Bitte«, sagte er. »Die ist nicht sehr stabil.«
    Cantona richtete sich wieder auf. Reeve bemerkte, dass auf dem Fußboden unter dem Gerät eine Schüssel stand,

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