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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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zu lassen. Heuschrecken? Vergasen. Feldfrüchte? Einsprühen. Es gab nicht viel, was sich nicht mit Chemie in Ordnung bringen ließ.
    Natürlich wusste er, dass es gewisse Nebenwirkungen gab. Er studierte gewissenhaft die wissenschaftlichen Veröffentlichungen und die Horrorgeschichten in den Medien. Er wusste, dass es Kinder gab, die nicht gegen Masern geimpft wurden, weil zur Entwicklung des Impfstoffs irgendwann einmal Gewebe von ungeborenen Föten verwendet worden war. Solche Meldungen machten ihn traurig. Nicht wütend, nur traurig. Die Menschheit hatte noch einiges zu lernen.
    Touristen schlenderten an ihm vorbei, ein junges Ehepaar mit zwei Kindern. Sie sahen so aus, als wären sie auf dem Wasser gewesen: rosenwangig, vom Wind durchgepustet, strahlend. Sie aßen frische Lebensmittel und atmeten reine Luft. Die Kinder würden gesund und kräftig heranwachsen, was noch vor hundertfünfzig Jahren vielleicht nicht der Fall gewesen wäre.
    Gute Chemikalien, das war das ganze Geheimnis.
    »Mr. Kosigin?«
    Kosigin drehte sich um und lächelte fast. Es war ihm ein Rätsel, wie der Engländer es jedes Mal wieder schaffte, sich so anzuschleichen. Das Gelände mochte noch so übersichtlich sein, er stand immer schon praktisch neben ihm, bevor Kosigin ihn überhaupt sah. Und dabei war er keineswegs unauffällig gebaut: eins neunzig groß, mit einer breiten Brust und so muskulösen Oberarmen, dass die hängenden Unterarme immer etwas von seinem Rumpf abstanden. Auch seine Beine sahen in den engen verwaschenen Jeans und den Nike-Schuhen kräftig aus. Durch das straff gespannte Baumwoll-T-Shirt zeichnete sich sein Waschbrettbauch deutlich ab. Er trug eine zusammenklappbare Sonnenbrille und am braunen Ledergürtel mit der allgegenwärtigen Harley-Davidson-Schnalle das dazugehörige kleine Etui. Er hatte gewelltes blondes Haar, das über der Stirn kurz geschoren war, ihm aber im Nacken bis über den Halsausschnitt des T-Shirts wallte. Sein Gesicht war eher rosig als braungebrannt, und seine Brauen und Wimpern waren ebenso blond wie seine Haare. Er schien stolz auf die lange schartige Narbe zu sein, die sich über seine rechte Wange hinunterzog, als ob dieser eine Makel nötig wäre, um hervorzuheben, wie vollkommen der Rest von ihm war.
    Kosigin – zugegebenermaßen keine Autorität – fand, dass er wie einer dieser Wrestler im Fernsehen aussah.
    »Hallo, Jay, gehen wir ein paar Schritte.«
    Mehr war der Mann für Kosigin nie gewesen: immer nur Jay. Er wusste nicht einmal, ob das ein Vor- oder Nachname war, oder vielleicht sogar nur ein Anfangsbuchstabe – »J«. Sie gingen in südlicher Richtung auf die Piers zu, vorbei an den Auslagen der T-Shirt- und Andenkenverkäufer. Jay ging nicht, er trippelte, die Fäuste in die Jeanstaschen gerammt. Er sah so aus, als sollte man ihn besser an die Leine nehmen.
    »Irgendwas zu berichten?«
    Jay zuckte die Schultern. »Es ist alles in Arbeit, Mr. Kosigin.«
    »Wirklich?«
    »Sie brauchen sich um nichts zu sorgen.«
    »McCluskey ist da weniger zuversichtlich. Ebenso Perez.«
    »Tja, die kennen mich eben nicht. Ich bin nie ohne guten Grund zuversichtlich.«
    »Cantona stellt also kein Problem mehr dar?«
    Jay schüttelte den Kopf. »Und der Bruder fliegt morgen nach Haus.«
    »Es hat eine Programmänderung gegeben«, sagte Kosigin. »Er nimmt die Leiche nicht mit. Sie wird morgen Vormittag eingeäschert.«
    »Das wusste ich nicht.«
    »Tut mir leid, ich hätte es Ihnen sagen sollen.«
    »Sie sollten mir immer alles sagen, Mr. Kosigin. Wie kann ich mein Bestes leisten, wenn man mir nicht alles sagt? Trotzdem, der Abflug ist für morgen Nachmittag gebucht. Das hat sich doch nicht geändert, oder?«
    »Nein, aber trotzdem … er stellt unbequeme Fragen. Ich bin sicher, dass er Perez seine Geschichte nicht abgekauft hat.«
    »Es war nicht meine Idee, Perez mit ins Boot zu nehmen.« »Ich weiß«, sagte Kosigin leise. Irgendwie schaffte es Jay immer, dass er sich unzulänglich fühlte; und gleichzeitig hatte er immer das Bedürfnis, diesen Schrank von einem Kerl zu beeindrucken. Er wusste nicht, warum. Es war verrückt: Er war reicher, als Jay jemals sein würde, auf so ziemlich jedem Gebiet erfolgreicher, und dennoch war da immer dieses Unterlegenheitsgefühl, das er einfach nicht loswurde.
    »Dieser Bruder, er klingt nicht direkt wie der typische trauernde Angehörige.«
    »Ich weiß nicht allzu viel über ihn, nur das, was die ersten Ermittlungen der Alliance ergeben haben. Früher beim

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