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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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unterdrücken können, McCluskey beim Kopf zu packen und ihm mit den Daumen die Augäpfel aus den Höhlen zu drücken.
    Die eigentliche Trauerzeremonie war kurz. Der Vorsteher – Reeve erfuhr nie, ob er ein Geistlicher war, irgendein Kirchenfunktionär oder lediglich ein Faktotum des Krematoriums – wusste nicht das Leiseste über James Reeve und versuchte auch gar nicht erst, diese Tatsache zu überspielen. Wie er Gordon erklärte, hätte er vielleicht etwas mehr sagen können, wenn er mehr Zeit gehabt hätte, sich vorzubereiten. So aber blieb er beim bedeutend Allgemeinen. Seine Ausführungen hätten auf jeden X-beliebigen gepasst.
    Der Sarg war nicht der, den man Reeve im Bestattungsinstitut vorgeführt hatte – es war ein billigeres Modell mit weniger Messing und Möbelpolitur. Die Kapelle war mit frischen Schnittblumen geschmückt, deren Namen Reeve nicht kannte. Joan hätte sie gewusst – die englischen und die wissenschaftlichen. Er war froh, dass sie mit Allan zu Hause geblieben war. Wäre sie mitgekommen, hätte er sich nie so in die Sache reingekniet, hätte er Eddie Cantona nie kennen gelernt. Er hätte die Leiche in Empfang genommen, hätte sie als Luftfracht aufgegeben und wäre zu seinem bisherigen Leben zurückgekehrt, um sich nur ab und zu, mühsam, an zwei Brüder zu erinnern, die früher einmal miteinander gespielt hatten.
    In der Kapelle war außer McCluskey und ihm nur noch eine Frau, die auf der hintersten Bank saß und wie ein Stammgast aussah. Dann gab es noch den Mann, der vorn stand und seinen Spruch aufsagte, und jemanden, der die Konservenmusik laufen ließ und am Schluss den kleinen Vorhang aktivierte, der sich vor dem Sarg schloss. Das Summen des Förderbands war nur ganz schwach zu hören gewesen.
    Als sie, auf dem Weg nach draußen, den Mittelgang entlanggingen, hielt McCluskey Reeve leicht am Arm fest; eine intime Geste, als seien sie gerade getraut worden. Die Frau lächelte ihnen von ihrer Bank aus zu. Sie schien die nächste Zeremonie auch noch mitnehmen zu wollen. Draußen sammelten sich schon die Trauergäste.
    »Alles in Ordnung?«, fragte McCluskey.
    »In bester«, sagte Reeve und schluckte den plötzlichen Schmerz im Kehlkopf hinunter. Er musste fast würgen, räusperte sich aber stattdessen und putzte sich die Nase. »Schade, dass Cantona nicht dabei sein konnte.«
    »Er müsste heute im Lauf des Tages wieder auf freiem Fuß sein. Uns ist lieber, die Betrunkenen schlafen ihren Rausch aus, bevor wir sie wieder auf ihre Bars loslassen.«
    »Haben Sie ihn gesehen?«
    »Nein.«
    »Er war nicht betrunken. Er hatte nicht einen Tropfen angerührt.«
    »Die Blutuntersuchung hat etwas anderes ergeben.«
    Reeve putzte sich wieder die Nase. Er war drauf und dran gewesen zu fragen: Wie kommt es, dass mich das überhaupt nicht wundert? Stattdessen sagte er: »Verschwinden wir hier.«
    »Lust auf einen Drink?«
    »Ich fürchte, Sie würden mich wegen Trunkenheit am Steuer einkassieren.«
    »Verdammt, das würde ich nie tun«, sagte McCluskey lächelnd, »nicht bei einem Touristen. Also, wohin dann? Zum Flughafen?«
    Reeve warf einen Blick auf seine Uhr. »Ich denke, ja.«
    »Ich begleite Sie. Vielleicht klappt es ja dort mit dem Drink.«
    »Warum nicht?«, sagte Reeve, obwohl es das Letzte war, was er wollte. Dann gingen sie zu ihren Autos. Inzwischen fuhren auch weitere Wagen vor, darunter zwei große schwarze Limousinen mit der Verwandtschaft des nächsten Krematoriumskunden. Andere Autos waren schon vorher angekommen, aber die Fahrer und die Passagiere warteten noch mit dem Aussteigen. Es schien eine Frage der Etikette zu sein, dass die Haupt-Leidtragenden als Erste auftreten sollten. Reeves Augen trafen fast diejenigen eines der Trauergäste, der, die Hände am Lenkrad, in seinem Auto saß. Aber der Mann hatte sich dann eine Sekunde zu früh abgewandt.
    Er war schon wieder auf dem Highway, hinter McCluskey, als ihm aufging, an wen ihn der Mann erinnert hatte. Fast hätte er die Kontrolle über den Chevrolet verloren. Ein Pickup hinter ihm hupte, und er beschleunigte wieder.
    Ein Geist. Er sagte sich, dass er einen Geist gesehen hatte. Das war genau der Tag dafür.
     
    Am Check-in-Schalter gab Reeve seine Reisetasche auf. Er hatte ein paar Kleinigkeiten aus Jims Besitz dabei, aber ansonsten nahm er praktisch genau dasselbe wieder mit zurück, was er mitgebracht hatte. Allans Drachen war sicher zwischen Schichten von Hemden verstaut. Vielleicht konnte er im Flugzeug noch irgendein

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