Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
ein, drückte rasch ein paar Tasten auf dem Bedienfeld – so schnell, dass Dulwater den Kode nicht erkennen konnte – und trat einen Schritt zurück. Der Fahrstuhl setzte sich in Bewegung.
»Nun?«, fragte Allerdyce.
»Mir ist nicht ganz klar, worauf das alles hinausläuft«, sagte Dulwater einleitend.
»Das braucht Sie nicht zu kümmern«, entgegnete Allerdyce. »Ich will lediglich Ihren Bericht hören.«
»Natürlich.« Dulwater schluckte. Es gab nichts Schriftliches – so lauteten die Anweisungen -, aber er wusste sowieso alles auswendig, oder hoffte es jedenfalls. Er leckte sich den Schweiß von der Oberlippe. »Kosigin hat einen Muskelmann aus Los Angeles kommen lassen, einen Engländer. Sie haben sich zweimal außerhalb des CWC-Gebäudes getroffen: einmal in einem Café in Downtown, einmal auf der Uferpromenade. Selbst mit dem Richtrohrmikrofon habe ich kaum etwas von ihrer Unterhaltung mitbekommen.«
Allerdyce hörte es Dulwater an, dass er neugierig war, warum Alliance jetzt auf einmal ihren Auftraggebern nachspionierte. Er bewunderte die Neugier des jungen Mannes. Aber er wusste, dass keine Antwort, die er ihm hätte geben können, zufriedenstellend gewesen wäre.
»In beiden Fällen gut gewählt«, sagte Allerdyce nachdenklich. »Café … Uferpromenade … jede Menge Hintergrundgeräusche, andere Stimmen …«
»Und auf der Uferpromenade sind sie ständig in Bewegung geblieben. Hinzu kommt, dass große Mengen von Touristen unterwegs waren.«
»Schön, Sie haben mir also gesagt, was Sie nicht in Erfahrung gebracht haben …«
Dulwater nickte. »Es gab einen Todesfall, anscheinend einen Selbstmord – der Reporter, der über die CWC recherchiert hatte und über den wir ermitteln sollten. Der Bruder des Mannes ist in die Stadt gekommen. Das schien Kosigin nicht zu passen. Wussten Sie, dass Kosigin einen Polizisten in der Tasche hat?«
»Natürlich.«
»Der Polizist hat den Bruder beschattet. Scheint vom halben Department Gefälligkeiten eingefordert zu haben.«
»Und der Muskelmann aus LA, wie Sie ihn bezeichnet haben?«
Dulwater zuckte die Schultern. »Ich habe keinen Namen, noch nicht. Den bekomme ich noch raus.«
»Ja, davon gehe ich aus.« Der Fahrstuhl erreichte die Tiefgarage. Die Limousinen, mit denen die Gäste gekommen waren, parkten in ordentlichen Reihen, während die Chauffeure rauchten und miteinander schwatzten.
»Rauchen verboten!«, bellte Allerdyce, bevor er die Fahrstuhltür wieder schloss. Dann tippte er den Zahlenkode für das Penthouse ein. »Interessant«, sagte er zu Dulwater, jetzt wieder mit gedämpfter Stimme.
»Soll ich dranbleiben?«
Allerdyce dachte nach. »Wo ist der Bruder?«
»Unsere Agenten berichten, dass er heute abfliegt.«
»Glauben Sie, dass wir jetzt, wo er weg ist, in San Diego mehr erfahren könnten?«
Dulwater gab die Antwort, die, wie er annahm, von ihm erwartet wurde. »Wahrscheinlich nicht, Sir.«
»Wahrscheinlich nicht«, echote Allerdyce und klopfte sich mit einem Finger auf die dünnen, trockenen Lippen. »Sie haben den Bruder beobachtet, weil sie ihn in irgendeiner Weise als Bedrohung ansahen. Sie befürchteten, dass er etwas herausfinden würde. Stellt er jetzt, wo er abgeflogen ist, noch immer eine Bedrohung dar?«
Dulwater hatte keine Antwort parat. »Ich weiß es nicht.«
Allerdyce wirkte erfreut. »Und ebenso wenig wissen sie es. Unter den gegebenen Umständen könnte Kosigin mehr über den Bruder wissen wollen – mehr, als wir schon imstande waren, ihm zu sagen.«
»Viel haben wir ja nicht über ihn herausgebracht«, gestand Dulwater.
»Kosigin ist ein vorsichtiger Mann«, sagte Allerdyce. Das war mit ein Grund, warum der Mann ihn so faszinierte. Allerdyce hatte es bislang nicht geschafft, über Kosigin ein Dossier zusammenzustellen, das diesen Namen verdient hätte, und das, obwohl er dem Mann schon bei einem kurzen, beiläufigen Gespräch angesehen hatte, dass es da Geheimnisse zu entdecken gab. Er stellte eine Herausforderung dar.
Und natürlich konnte Kosigin eines Tages bis ganz an die Spitze von CWC aufsteigen. Trotz seiner Jugend war er schon jetzt nicht weit davon entfernt. »Ich bin kein Chemiker«, hatte er Allerdyce in einem Ton gesagt, als vertraute er ihm wer weiß was an – vielleicht in der Hoffnung, Allerdyce’ berühmt-berüchtigte Neugier zu befriedigen. »Ich brauche keiner zu sein, um zu wissen, wie man ein Unternehmen führt. Um ein Unternehmen führen zu können, muss man zweierlei wissen: wie man
Weitere Kostenlose Bücher