Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
ins Leere starrte, während sein Fahrer die richtige Hausnummer zu finden versuchte.
Doch als sie das Auto passierten, hatte er es wunderbar im Blick. Er sah, wie der Mann sie musterte und sie dann als uninteressant abtat. Keiner erwartete schließlich, dass irgendjemand im Taxi vorfahren würde. Aber der Mann war wachsam. Und Reeve fand nicht, dass er wie ein Polizist aussah.
»Wo jetzt?«, fragte der Fahrer.
»Das Auto, an dem wir vorbeigefahren sind – haben Sie gesehen, was auf der Fahrertür stand?«
»Klar, Mann, das war so’ne Kabelfirma. Sie wissen, Kabel-TV. Die versuchen immer, dass du unterschreibst, dein ganzes Geld ausgibst für fünfzig Kanäle, wo nur Wiederholung von Lucy und so Scheiß-Soaps laufen. Sind schon gewesen drei-, viermal bei mir; meine Frau ist scharf darauf. Sie das riechen können, wenn jemand scharf ist. Ich nicht. Also, wo jetzt?«
»Biegen Sie rechts ab, fahren Sie ein, zwei Blocks weiter, und halten Sie wieder.« Der Fahrer gehorchte. »Sie sollten Ihren Außenspiegel besser wieder richtig einstellen«, sagte Reeve; wieder gehorchte der Fahrer. Reeve standen jetzt ein paar Möglichkeiten zur Auswahl. Die eine wäre gewesen, sich den Mann im Auto vorzunehmen, ihm etwas Druck zu machen. Ihm ein paar Fragen zu stellen, während er ihm das Leben aus der Gurgel quetschte. Er hatte allerlei Verhörtechniken gelernt; hatte sie seit langem nicht mehr angewandt, aber er schätzte, dass sie ihm im richtigen Augenblick schon wieder einfallen würden. Radfahren verlernte man ja auch nicht. So wie er das Kartenfalten nicht verlernt hatte. Instinkt.
Aber wenn der Mann ein Profi war, und der Mann hatte wie ein Profi ausgesehen – nicht wie ein Bulle, aber wie ein Profi -, dann würde er nicht reden; dafür würde das letzte bisschen Inkognito, das Reeve noch verblieben sein mochte, endgültig zum Teufel sein. Andererseits wusste Reeve ja jetzt, was er hatte wissen wollen: Dr. Killins Haus wurde nach wie vor überwacht. Irgendjemand wollte noch immer wissen, ob sich jemand dort blicken ließ. Und es sah so aus, als sei niemand zu Hause.
Sein Fahrer wartete auf Anweisungen.
»Wieder dorthin, wo ich eingestiegen bin«, sagte Reeve.
Er bezahlte den Fahrer, gab ihm einen Zehner Trinkgeld und ging denselben Weg zurück, den er gekommen war. Wieder in den Old Town State Park. Er war in einem Geschenkeshop und kaufte gerade eine Ansichtskarte samt Briefmarke und einen Drachen, den Allan wahrscheinlich nie steigen lassen würde – zu low-tech -, als er den Bullen von der Straßenecke entdeckte und sah, dass er ihn beobachtete. Der Mann machte einen gewaltig erleichterten Eindruck; er war wahrscheinlich zu seinem Partner zurückgegangen, war dann aber zappelig geworden und hatte beschlossen, einen Rundgang zu machen. Der Park war voll von Touristen, die gerade von einem der orange-grünen Sightseeingbusse abgesetzt worden waren; es musste ziemlich stressig für ihn gewesen sein. Jetzt aber hatte er seine Belohnung.
Reeve verließ das Geschäft und schlenderte zu seinem Auto. Er fuhr gemächlich zu seinem Hotel zurück und schüttelte seine Beschatter lediglich einmal ab. Er ging davon aus, dass seine Deckung aufgeflogen war; jetzt würden sie ihm überallhin folgen. Und wenn er sie zu oft abschüttelte, dann würden sie wissen, dass sie ebenfalls aufgeflogen waren. Und dann würden sie entweder raffinierter vorgehen – etwa Peilsender an seinem Auto anbringen – oder auf einen direkten Angriff setzen müssen. Vielleicht sogar auf einen »Unfall«.
Er nahm nicht an, dass es in seinem Fall bei einer simplen Trunkenheit am Steuer bleiben würde.
Im Hotelzimmer schrieb er die Ansichtskarte nach Haus und frankierte sie, dann ging er hinunter zur Rezeption, um sie einzuwerfen. Im Foyer saß ein Mann. Er hatte nichts zu lesen mitgenommen, und so hatte er sich mit ein paar Werbebroschüren von Sea World, dem San Diego Zoo und den Bus-Touren in die Altstadt behelfen müssen. Es war keine leichte Aufgabe, bei der Lektüre ein interessiertes Gesicht zu machen. Also tat Reeve dem Mann einen Gefallen: Er ging in die Bar und bestellte sich ein Bier. Er hatte Durst, und der Durst hatte die Oberhand über den Gedanken an eine kühle Dusche gewonnen. Er kostete die Kälte aus, die ihm durch die Kehle rann. Der Mann war ihm gefolgt und hatte sich – mit sichtlich inniger Vorfreude – gleichfalls ein Bier bestellt. Der Mann saß am gegenüberliegenden Ende des Tresens. Die übrigen Gäste trugen die
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