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Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)

Titel: Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Rankin
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ging zur Tür von Kosigins Büro, die die Sekretärin mithilfe eines Knopfes unter ihrer Schreibtischplatte öffnete. Dann ging er hinein.
    Das war auch so eine Sache. Vom Schriftbild her hatte er angenommen, Kosigin spreche sich so aus wie dieser Sowjetpolitiker aus den Fünfzigerjahren – oder war das in den Sechzigern gewesen? Aber dann hatte er gehört, dass es wie kóssigin klang, in einem Atemzug runtergerasselt, mit lauter kurzen, abgehackten Vokalen. Kosigins Büro strahlte eine Härte aus, die sowohl zu seinem Namen als auch zu seiner Persönlichkeit passte. Selbst die Kunstwerke wirkten schroff und brutal: Die Gemälde waren voll von rechtwinkligen Objekten, geometrischen Figuren in trüben Farben; die Plastiken erinnerten an entstellte Unfallopfer oder an undefinierbare Dinge, die zu nah an einer Wärmequelle gestanden hatten. Und sogar die Aussicht, die eigentlich hätte umwerfend sein müssen, war irgendwie härter, grausamer, als sie es verdiente. Vom Meer war kaum etwas zu sehen, andere, höhere Gebäude standen im Weg. Er meinte, durch eine Lücke in der City-Skyline das funkelnde Marriott zu sehen, aber wie es da im Sonnenlicht gleißte, hätte es auch sonst was sein können.
    Getreu seiner detektivischen Ausbildung vergeudete Dulwater nicht viel Zeit mit dem Bewundern der Aussicht, sondern ging an Kosigins Schreibtisch, nur um mal eben zu sehen, was darauf lag. Die Antwort lautete, wie immer: enttäuschend wenig. Es war ein verschnörkeltes antikes Stück, möglicherweise französisch, mit geschwungenen Beinen, die so aussahen, als würden sie bei der geringsten Belastung wegbrechen. Die Arbeitsfläche war ziemlich lang, dafür umso schmaler, und das ganze Ding passte irgendwie nicht so recht zu dem Schreibtischsessel – einem nüchternen modernen Drehstuhl mit roten Polsterbezügen und schwarzen Plastik-Armlehnen. Dulwater hatte den Verdacht, dass Kosigin seine eigentliche Arbeit anderswo erledigte. Auf der Arbeitsfläche waren eine Schreibunterlage, eine Schale mit Stiften und Kleinkram und eine kleine Gelenkleuchte zu sehen. Der Schreibtisch hätte einem Studenten oder irgendjemandem gehören können.
    Er sah sich den Rest des Zimmers an. Zwischen ihm und der Sitzecke erstreckte sich ziemlich viel kahler Parkettboden. Besagte Sitzecke umfasste ein Sofa und zwei Sessel, alles in schwarzem Knitterleder, eine große und gut sortierte Hausbar mit einer leeren Kristallkaraffe und dazu passenden Gläsern auf dem obersten Regalbrett, und zwei Fernsehgeräte, von denen eines in Dauerbetrieb schien. Es war auf den Parlamentssender C-Span eingestellt und stumm geschaltet.
    Einen Teil der Wandfläche nahmen ein paar frei stehende, hohe Holzschränke ein, die verschlossen waren – sie waren in Dulwaters Anwesenheit noch nie geöffnet worden. Er hatte keine Ahnung, ob sie leer oder voll waren, ob sie Akten oder Kosigins Schuhkollektion enthielten. Am Ende konnten das auch Geheimtüren zu anderen Büros sein. Das war ziemlich egal. Nicht egal war, dass Kosigin ihn warten ließ. Dulwater stellte seinen Aktenkoffer – mattschwarz, ohne beide Schlüssel praktisch nicht zu öffnen, Standardausstattung bei Alliance Investigative – auf den niedrigen Tisch vor dem laufenden Fernseher und setzte sich aufs Sofa. Er konnte keine Fernbedienung sehen, fand aber das Bedienfeld am Gerät selbst, klappte die Abdeckung auf und schaltete um. Auf MTV lief eine Rolling-Stones-Retrospektive, also blieb er bei dem Sender, lehnte sich ins Sofa zurück und schaute sich die Sendung ohne Ton an.
    Er fragte sich wieder einmal, was das mit der Observation eigentlich sollte. Ein Unternehmen wie CWC, einer der weltgrößten Chemie-Riesen, hatte doch bestimmt eigene Security-Leute. Warum hatte Kosigin diesen Pipijob nicht denen anvertraut? Und warum zeigte sich der alte Allerdyce so interessiert? Es war nicht etwa so, dass der befürchtet hätte, Dulwater würde die Sache vermasseln – was das anging, hatte er ihn schon beruhigt. Aber warum dann? Was hatte es mit diesem James Reeve, diesem Scheißbriten mit den langweiligen Angewohnheiten und dem nomadischen Berufsleben auf sich? Das brauchte Dulwater nicht zu kümmern – genau wie Mr. Allerdyce erklärt hatte. Wie pflegte er doch immer zu sagen? »Wir sind das Mittel, nicht der Zweck.« Das klang toll, wenn er es so sagte; aber was zum Teufel sollte das heißen?
    Er ging an eins der Fenster und schaute hinunter auf die Straße. Einen Block weiter südlich fuhr ein orange-grüner

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