Sein Blut soll fließen: Thriller (German Edition)
mein Metier. Ich könnte in null Komma nichts halb Beverly Hills dazu bringen, auf allen vieren zu laufen und sich mit Hunden und Katzen zu unterhalten. Was ich nicht kann, jedenfalls momentan, ist den Weg zum Bad finden.
Er schwitzte, als er endlich das Klo erreichte, fühlte den kalten Schweiß auf Rücken und Stirn, während er in die Schüssel kotzte. Dann stemmte er sich hoch, setzte sich auf die Brille und legte den Kopf auf das kühle Porzellan des Waschbeckens. Allmählich ging es ihm besser, sein Herzschlag verlangsamte sich; er fing an, den bevorstehenden Tag ins Auge zu fassen, seine Agenda zu durchdenken, Dinge, die zu tun waren. Wie zum Beispiel Eddie anzurufen. Dann würde er noch einmal versuchen, sich mit diesem Chemiker zu unterhalten. Aber zuerst musste er Eddie anrufen.
Er raffte sich auf und starrte in den Spiegel. Das Glas war größtenteils mit eingetrockneter Zahnpasta verkrustet. Eine Frau, die er vor ein paar Nächten mit aufs Zimmer genommen hatte, hatte ihm eine Nachricht hinterlassen. Als er aufgewacht war, war sie schon weg gewesen. Er war ins Bad getorkelt und hatte die Stirn an den kühlen Spiegel gelegt und hin und her gerieben. Als er endlich hochgeschaut hatte, war von der Nachricht nur ein Geschmier übrig geblieben und sein Haar von rot-weißen Zahnpastastreifen durchzogen gewesen.
Als er wieder ins Schlafzimmer kam, sah er, dass er irgendwann während der Nacht den Laptop an die Steckdose angeschlossen hatte, was von Weitblick zeugte; mittlerweile würde der Akku wieder aufgeladen sein. Er konnte ohne seinen Laptop nicht leben. So wie manche Leute eine Katze hatten und sie auf den Schoß nahmen und streichelten, hatte er seinen Computer. Er war die reinste Therapie; sobald er ihn aufklappte und anfing zu arbeiten, spürte er, wie sich alle seine Sorgen verflüchtigten. Es klang idiotisch, wenn er das anderen erzählte, aber das Ding schenkte ihm das Gefühl, unsterblich zu sein; er schrieb, und was er schrieb, würde eines Tages veröffentlicht werden, und sobald etwas veröffentlicht war, wurde es unsterblich. Die Leute speicherten es, horteten es, behielten es zwecks späterer Verwendung, lasen es, verschlangen es, zitierten es, übertrugen es auf andere Speichermedien wie Mikrofiche oder CD-ROM. Sein Laptop war eine Katerkur, ein Wundermittel. Vielleicht war das der Grund, warum er keine Angst vor Co-World Chemicals hatte. Vielleicht.
Er setzte sich auf den Fußboden und sah seine letzten Notizen durch. Die Sache nahm allmählich Gestalt an – jedenfalls hoffte er das. Vieles davon war reine Spekulation, Stoff, der – wie jeder Chefredakteur ihm sagen würde – noch reichlich Unterfütterung benötigte. Und »Unterfütterung« hieß Beweise. Er musste Leute dazu bringen, ihm eine verbindliche, zitierfähige Aussage zu machen. Scheiße, selbst etwas Unverbindliches würde momentan schon reichen. Ein Chefredakteur konnte sich schließlich auch unverbindliche Äußerungen anhören. Dann hätte ihm besagter Chefredakteur einen Scheck ausstellen lassen können, mit dem sich seine finanzielle Situation wieder ein bisschen aufpolieren ließe.
Der Haken dabei war, dass er bei Giles Gulliver in London in der Kreide stand, und der Dreckskerl weigerte sich, ihm noch irgendetwas vorzuschießen, solange er nicht eine Story gesehen hatte, die er drucken konnte. Das war die Zwickmühle: Um Giles eine solche Story liefern zu können, brauchte er mehr Geld. Also suchte er nach einem verwertbaren Nebenprodukt, etwas, das sich anderweitig verkaufen ließe. Mann, er hatte ein paar Reiseredaktionen bereits alles Mögliche angeboten, Artikel über San Diego, die Grenze, Tijuana, La Jolla. Er hätte selbst was über den Zoo oder Sea World geschrieben, wenn die so was gewollt hätten! Aber von ihm wollten sie überhaupt nichts. Sie kannten seinen Ruf zur Genüge. In allen Einzelheiten. Sie wussten, dass er es nicht so mit Deadlines hatte und keine netten kleinen Reiseartikelchen schrieb, die sich sonntagmorgens zu Cornflakes und Kaffee konsumieren ließen. Das war sowieso kein Journalismus – das war Füllmaterial, ein bloßer Aufhänger für möglichst viele Anzeigen, und genau das hatte er den drei Chefredakteuren gesagt. Und außerdem, dass sie sich in den Arsch ficken könnten.
Weswegen ihm das Geld allmählich ausging und er mit billigen Motels vorlieb nehmen musste, in denen das Zimmer nur einmal die Woche geputzt und mit Handtüchern eher sparsam umgegangen wurde. Er musste schneller
Weitere Kostenlose Bücher