Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
aufgestanden, vor allem, wenn die Leute von oben ihn nachts wach gehalten haben.«
»Mrs. McGuire«, sagte Costello, die sich stark konzentrieren musste. Von der Hitze im Raum brannten ihr die Augen, ihre Lider wurden schwer, und am liebsten hätte sie sich die Jacke ausgezogen, was sie jedoch wegen des Flecks auf dem Pullover unterließ. »Es besteht vielleicht die Möglichkeit, und ich betone ›Möglichkeit‹, dass er einen Herzinfarkt hatte und zusammengebrochen ist. Er war eindeutig schon bewusstlos, als der Brand ausbrach.«
Sarah begriff sofort. »Er hat also nicht gelitten.«
»Nein, gelitten hat er nicht«, sagte Costello und hoffte, es möge der Wahrheit entsprechen.
Sarah nickte, als würde sie dieser Umstand trösten. »Ich kann es einfach nicht verstehen. Erst letzte Woche war er bei seinem Arzt. Da war alles in Ordnung«, fügte sie zögerlich hinzu.
»Könnten Sie uns den Namen seines Arztes nennen? Und den seines Zahnarztes?«, fragte Costello und war froh, weil Irvine die Einzelheiten notierte. »Man wird wohl eine Obduktion durchführen, um herauszufinden, was exakt vorgefallen ist.«
Sarah öffnete den Mund, sagte jedoch nichts. Sie sah ihre Tochter an.
»Natürlich können wir das auch bei anderer Gelegenheit besprechen«, schlug Costello vor.
»Nein, nein. Kein Problem. Ich dachte nur, Sie … Damit habe ich nicht gerechnet.« Sarah rutschte auf dem Sofa hin und her und strich ihre Hosenbeine glatt. »Der Doktor hat gesagt, es gehe ihm gut«, wiederholte sie vage. »Und trotzdem ist es notwendig, eine …«
»Damit wird die Todesursache präzise festgestellt. Aber bisher gibt es keine Anzeichen für ein Verbrechen – das haben wir als Erstes überprüft.« Costellos Blick schweifte durch den Raum. »Hätten Sie ein neueres Foto von ihm? Das wäre uns eine Hilfe.«
»Bedienen Sie sich.« Sarah deutete auf mehrere Bilder, die auf dem Sideboard standen.
»Ich kümmere mich darum, dass Sie es zurückbekommen«, versprach Gail Irvine, ging vom Fenster hinüber und suchte sich eines aus.
»Mir fällt da gerade ein – am Samstag habe ich ihn gar nicht gesehen. Ich habe Karen mit seinen Einkäufen zu ihm hineingeschickt, weil ich noch im Auto einen Anruf bekommen habe …« Sie stockte, plötzlich voller Schuldgefühl.
Costello wartete einen Moment und sagte schließlich mit fester Stimme: »Hatte Ihr Vater eine Strickjacke? Eine Fair-Isle-Strickjacke, blau mit weißem Muster um den Hals?« Sie tippte auf den Kragen ihrer Jacke.
Karen dachte kurz nach und biss sich mit den weißen Zähnen auf die kirschrote Unterlippe.
»Kleine Silberknöpfe mit dem schottischen Löwen?«, soufflierte Costello.
Sarah antwortete darauf. »Ja, die Strickjacke hatte er schon, als Karen noch ein Baby war. Im Schrank hatte er auch neuere. Geschenke.« Sie schnalzte missfällig mit der Zunge. »Aber die trug er nie. Warum fragen Sie?«
Costello zuckte vage mit den Schultern und war froh, dass sie die Leiche nicht gesehen hatte, dass sie deshalb keine Miene bei der Erinnerung an den Anblick verzog und dass sie den Silberknopf nicht aus der kleinen sterilen Tüte holen musste, um zu fragen: Erkennen Sie den?
Sarah sah zu der Lücke auf dem Sideboard, wo das Foto ihres Vaters fehlte. »Ich kann auch kommen und ihn identifizieren, wenn Ihnen das weiterhilft.«
»Ich denke, das wird nicht notwendig sein. Heutzutage wird das nicht mehr häufig gemacht – Identifizierungen durch Zeugen sind ein bisschen aus der Mode gekommen.«
»Ich würde ihn gern sehen.«
»Besser nicht«, sagte Costello so leise wie möglich und rutschte zur rechten Seite des Sofas, um anzukündigen, dass sie nun aufbrechen würde.
»Oh …« Sarah brauchte einen Augenblick, bis sie begriff, worauf Costello hinauswollte. Dann setzte sie sich rasch auf. »Was ist mit der Wohnung?«, fragte sie.
»Mit der Wohnung?«
»Ja, Dads Wohnung und die drei darüber. Wie groß ist der Schaden?«
Zur Hölle, ihr Vater ist gerade verbrannt, dachte Costello, antwortete jedoch: »Das wird alles im Bericht des Brandmeisters stehen.« Und fügte hinzu: »Wenn Sie sich so lange gedulden könnten.«
Draußen im Regen stand Frances vor dem Virgin Megastore, dessen Fenster mit Werbeplakaten für Rogan O’Neills Wiederveröffentlichung von »Tambourine Girl« zugekleistert waren. Das Poster zeigte seine Freundin, dieses kanadische Supermodel mit den blonden Haaren und den endlosen sonnengebräunten Beinen, wie sie sich in einem Tamburin einrollte, als
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