Sein eigen Fleisch und Blut: Thriller (German Edition)
die hinter ihm auf die Treppe trat, und lächelte sie an. Unten auf der Rollbahn kniete er sich hin und küsste den Asphalt.
Frances legte ihre Hand flach auf die Schaufensterscheibe – das Glas trennte ihn von ihr. Zwanzig Jahre, die vergangen waren.
Aber eigentlich hatten sie sich nie richtig voneinander getrennt.
»Oh, dieser Mistregen«, fluchte Costello und spähte durch die Scheiben von Sarah McGuires Haustür. »Und es ist so kalt, dass es schneien könnte.« Sie zog ihre Jacke enger zusammen und machte sich bereit, zum Wagen zu rennen. »Gail, Sie warten am besten, bis ihr Mann hier ist. Finden Sie heraus, wie der Hase läuft.« Costello sah sich ein Hochzeitsfoto von Sarahs Eltern an, das an der Wand im Flur hing. In seinem dunklen Anzug, Brylcreme im Haar, mit gestreifter Krawatte und Blume im Knopfloch, schien sich der Vater von Sarah McGuire unbehaglich zu fühlen, die Mutter in einem knöchellangen Hochzeitskleid mit Bateau-Ausschnitt lächelte schüchtern. Zwischen Tochter und Mutter bestand eine frappierende Ähnlichkeit.
»Was meinen Sie mit: wie der Hase läuft?«, wollte Irvine wissen.
Costello senkte die Stimme. »Wenn sie zu reden anfängt, quetschen Sie aus ihr heraus, ob die Scheidung in beidseitigem Einverständnis war. Auf dem Couchtisch liegt eine Anzeigenbeilage von GSPC, dieser Maklerfirma, und die ist bei den Häusern im West End aufgeschlagen. Würden Sie aus diesem Haus ausziehen? Wo Sie die piekfeine Postleitzahl von Newton Mearns haben? Vor der Tür steht ein nagelneuer Porsche. Elektrische Gartentore. Und Karen geht auf eine Privatschule.« Sie äffte Sarah nach: » Wir haben viel in ihre Ausbildung investiert. Und das sind keine Zuchtperlen, sondern echte, die sie trägt.« Nachträglich fügte Costello hinzu: »Wenn Ihr Vater gerade verbrannt wäre, würden Sie sich dann für den Zustand seiner Wohnung interessieren?«
»Gibt es bei all diesen Beobachtungen einen Zusammenhang?«, fragte Irvine leicht verwirrt.
»Nennen Sie es Instinkt oder meinetwegen auch Snobismus, doch diese Häuser, die da in dem Anzeigenteil aufgeschlagen sind, erscheinen mir im Vergleich zu diesem wie ein Abstieg, und diese Frau sieht überhaupt nicht nach einer Absteigerin aus. Das ist schon alles. Wenn ihrem Vater die ganze Hausnummer 34 in der Lower Holburn Street gehört, dürfte es um ein Vermögen gehen.«
»Wie können Sie nur so misstrauisch sein?«, fragte Irvine entsetzt. »Sie hat gerade ihren Vater verloren …«
»Genau das meine ich ja. Dieses Misstrauen bringt der Beruf eben mit sich; wir sind Bullen und keine Kummerkastentanten«, erwiderte Costello. »Horchen Sie sie aus, wie es zwischen ihr und ihrem Mann zur Scheidung gekommen ist, und versuchen Sie, etwas über ihre Finanzen herauszufinden. Irgendwas stinkt hier. Diese Tränen haben mich nicht überzeugt.« Sie holte ihr Handy heraus, suchte im Speicher nach einer Nummer und wählte sie.
»Vielleicht haben Sie recht. Als mein Vater gestorben ist, konnte man überhaupt nichts mit mir anfangen.« Irvine sah aus, als würde sie am liebsten gleich wieder zu weinen beginnen.
»Ich habe meinen Dad nie kennengelernt, und was man nie kannte, kann man auch nicht vermissen.« Costello lächelte sie an und klemmte sich das Telefon ans Ohr. »Windrad? Ist unsere Eskimolady Quinn nicht in ihrem Iglu?« Bei der Antwort verzog sie das Gesicht. »Hören Sie, mir geht’s eben nicht gerade gut, ich glaube, da ist eine Migräne im Anflug, also melde ich mich ab, ehe es schlimmer wird. Lassen Sie ihr bitte eine Nachricht zukommen? Es ist gerade eins durch. Ich lasse PC Irvine hier, damit sie auf den Göttergatten wartet, und sie kommt so bald wie möglich zur Besprechung um zwei nach Partickhill zurück … Nein, bis dahin bin ich blind und bewusstlos.« Sie beendete das Gespräch.
»Dann verpassen Sie die Besprechung? Geht es Ihnen wirklich so schlecht?«
»Ja, mit ein bisschen Schlaf bin ich allerdings morgen wieder fit. Lucas Mutter sollte dann ebenfalls ansprechbar sein, und ich kann an der Sache weitermachen. Würden Sie sich mit dem Zahnarzt in Verbindung setzen?« Costello riss die entsprechende Seite aus ihrem Notizbuch. »Legen Sie einfach alles auf meinen Schreibtisch, und ich kümmere mich morgen darum. Und machen Sie sich nicht die Mühe, alles abzutippen. Wir schreiben einen gemeinsamen Bericht.«
Sie ging auf ihren Wagen zu. Ihr Kopf dröhnte. Den Rest ihrer Notizen steckte sie in die Handtasche. Wie gesagt, darum würde sie sich
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