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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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dachte, wie Mendoza eben auf ihn reagiert hatte, stand der Spanier auf und schlich aus dem Lokal, bereits in der Tür mit der Hand nach dem Telefon in der Jackentasche tastend.
    Koch sah ihm nach und schaute dann zu Henry, als versuche er zu verstehen, ob er den Spanier zum Gehen veranlasst hatte. Henry führte zwei gespreizte Finger an die Lippen, als würde er eine Zigarette halten. Damit gab sich Koch zufrieden, aber die Aufforderung an Henry in seinem Blick blieb.
    Badische Küche war an diesem Abend angesagt, das Hauptgericht wurde aufgetragen, Rehrücken mit Schupfnudeln, dazu kam nach dem weißen Viura eine neue Rotweinkreation von Muros in die Gläser: Tempranillo, Merlot und Cabernet Sauvignon, wobei Heckler sich noch einmal deutlich bei dem großzügigen Spender bedankte und seine Weine pries. Henry hätte lieber einen Kaiserstühler Spätburgunder dazu getrunken.
    Koch war plötzlich verschwunden, dafür entdeckte er an einem der weiter entfernten Tische Marion Dörner, die von einem zum anderen Gast ging und angeregt mit den Herren plauderte, die sich über weibliche Gesellschaft sichtlichfreuten. Als sie in Henrys Richtung schaute, sah er weg. Er spürte die Vibration seines Mobiltelefons, zog es aus der Tasche. Dorothea hatte eine SMS geschickt: »weg ist frei. verbindung hergestellt. checke deine mails.«
    Großartig, auf sie war Verlass, wenn die Verbindung hergestellt war, so hatte sie ihm erklärt, konnte man über Kochs Rechner weiter in das abgeschirmte System des Verlags gelangen   – bis in die Korrespondenz des Inhabers. Es war die erste und einzige gute Nachricht des Tages. Doch, auch der Rehrücken war schön. Eigentlich wollte er gar nichts mehr essen, er wollte keinen Wein mehr trinken, auch keine Konversation mit AllesBio oder Aguirre pflegen, er wollte auch mit Gatow keine Theorien über den Mord wälzen und darüber nachdenken, wie er an Heckler herankäme. Henry wollte sich einfach nur unter die Dusche stellen, sich mit Ohrstöpseln von der Außenwelt abkapseln und schlafen. Morgen würden sie wieder fünfzig Weine probieren und beurteilen, und am Nachmittag fand das Pferderennen in Iffezheim statt. Zumindest das stellte er sich als kurzweilig vor, er hatte sich von Antonia Vanzettis Vorfreude anstecken lassen. Er würde wetten, obwohl er von Pferden nicht mehr verstand, als dass sie Kopf und Schwanz hatten, vier Beine und man auf ihnen, wenn man keine Angst vor Rippen- oder Schlüsselbeinbrüchen oder Querschnittslähmungen hatte, auch sitzen konnte.
    »Wieso sind Sie nicht gekommen? Ich habe eine halbe Stunde lang an der Trinkhalle auf Sie gewartet.« Die gepresste Stimme an seinem Ohr gehörte Koch, die Worte kamen hastig, er sprach, ohne die Lippen zu bewegen.
    Er ging Henry immer mehr auf die Nerven. Die Stimme war ihm unangenehm, er spürte den Atem. Koch roch nicht gut. Was wollte er von ihm? Wieso belatscherte er ihn sogar hier? Er konnte doch nur eine neue Bosheit seines Chefs weitertragen, ihn beleidigen wollen, oder machte er sich gar für Mendoza stark?
    »Es ist dringend, Meyenbeeker!«
    Was war das für eine Finte? Obwohl er die Augen nicht von Heckler nahm, der von einem Tisch zum anderen ging und angeregt plauderte, hörte sich Koch anders an als sonst, tatsächlich dringend. Kam er mit der Aufforderung, die Challenge zu verlassen? Nein, in Kochs Stimme schwang etwas sehr Brisantes mit.
    »Bitte   – kommen Sie in zwanzig Minuten vor das Lokal und gehen Sie hundert Meter nach rechts, ich warte dort   – am Brunnen unter den Bäumen.«
    Als Henry sich umsah, war Koch verschwunden, abgetaucht, hatte sich in Luft aufgelöst.
    Zum Dessert konnte man zwischen einem Kirschenplotzer und gefüllten Zwetschgen auf Weißweinschaum wählen. Dazu gab es wahlweise einen aus Chardonnay gekelterten Dessertwein oder ein Kirschwasser. Henry beschäftigte sich gerade mit den Kirschen in fester und flüssiger Form, als das Gespräch am Tisch erstarb und die Blicke aller auf jemanden neben ihm gerichtet waren. Es konnte nicht Koch sein, der hatte eben keine Aufmerksamkeit erregt. Dass es sich um Marion Dörner handelte, erkannte er am Parfüm.
    »Wir gehen nach dem Essen mit ein paar Leuten noch tanzen. Ich wollte dich fragen, ob du mitkommst. Ich würde mich freuen.« Sie strahlte ihn an.
    Henry blickte auf die Uhr, der Zeiger näherte sich der Elf, er musste mit Dorothea sprechen, Koch wollte mit ihm reden, Capitán Salgado stand noch auf dem Programm, der arbeitete auch nachts,

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