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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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die Araber.«
    Der kleine, dicke Muros-Exportleiter zog ein Gesicht, als wolle er gleich aufstehen, Aguirre, der Zorn Gottes, schob seinen gefährlichen Unterkiefer vor und stand kurz davor, mit einem wutschnaubenden Redeschwall die Tischdecke zum Flattern zu bringen, der Journalist aus Valladolid freute sich heimlich, da er Henry nicht leiden konnte, und AllesBio verstand gar nichts, er schaute von einem zum anderen, wartete auf eine Erklärung, die man ihm verweigerte, da niemand in dieses für ihr Land immer noch heikle Thema einsteigen wollte. Es brachte Gläser zum Zerspringen und Gewölbe zum Einsturz.
    Henry bemerkte, wie Koch an ihnen vorüberging, herschaute und Augenkontakt suchte, doch Henry tat, als würde er ihn übersehen. Zu der Verabredung mit ihm war er absichtlich nicht gegangen. Was hätte dabei herauskommen sollen? Marion Dörner war zu Henrys Erleichterung in einem der anderen Restaurants, wo die anderen zwei Drittel der Juroren versammelt waren.
    Mendoza stichelte weiter, er wähnte sich auf der Gewinnerseite. »Da stochern einige im Dreck herum, weil sie immer noch von der sozialistischen Republik träumen. Sollen sie doch nach Nordkorea übersiedeln, das können sie haben. Franco hat uns und unserem Land den Frieden gebracht, alles ist verjährt, es gab die Amnestie, aber die ewig Gestrigen wollen das nicht wahrhaben. Und dazu gehört   …«
    »…   meine Lebensgefährtin«, unterbrach ihn Henry. »Sie arbeitet mit der Regionalregierung von Andalusien zusammen, dort wurden sechshundert Massengräber entdeckt   – mit mehr als siebenundvierzigtausend Toten   …«
    »Das sind Kriegsopfer«, unterbrach ihn Mendoza gelangweilt.
    Henry war kurz davor, endgültig die Geduld zu verlieren. »Es werden nur Tote gezählt, die nicht bei Kriegshandlungen umgekommen sind. Die Hälfte der Toten wurde identifiziert. In Sevilla sind es zwölftausend, in Málaga siebentausend und in Córdoba neuntausend. Sehen Sie auf der Internetseite der andalusischen Regierung nach.«
    »Das sind Sozialisten, PSOE, man weiß, wie die übertreiben. Deshalb wurden sie auch abgewählt. Euren heiligen Garcia Lorca habt ihr noch immer nicht gefunden«, sagte er, jetzt voller Hohn, aber er merkte doch, dass er nicht mit der Zustimmung der Tischgenossen rechnen konnte. »Lorca hat sich aus dem Staub gemacht, dann haben ihn die Linken zum Märtyrer erhoben. Was gibt es für Zeugenaussagen? Wo bitte?«
    »Genug, um den Massenmord zu beweisen.«
    »Die Gräueltaten der sogenannten Republikaner sind hinlänglich bewiesen. Grausamkeiten wurden von beiden Seiten verübt. Da hat die eine Seite der anderen nichts vorzuwerfen. Und des Weiteren ist nur zu verständlich, dass sich ein gesunder Körper wie Spanien gegen diese Bakterien gewehrt hat.«
    »Das ist genau wie beim Krebs«, pflichtete ihm der Journalist aus Valladolid bei. »Den heilt man nur, wenn man ihn großflächig rausschneidet.«
    »Das waren alles Aktionen während unseres Befreiungskrieges!« Mendoza redete sich in Rage. »Die Zeugenaussagen sind lückenlos. Wenn es anders wäre, hätte unsere Justiz sich längst eingemischt.«
    Es war für Henry ein Gewaltakt gegen sich selbst, nicht aufzustehen, Mendoza zu packen und ihn endlich mit einem Tritt in den Hintern vor die Tür zu befördern. Es ging nicht um einen
paseo
, um diesen sogenannten Spaziergang, bei dem Francos Militär seine Opfer abgeholt und am Stadtrand meist mit Kopfschüssen getötet hatte. Es ging Isabella darum, die bleierne Stille zu durchbrechen, die über diesem Thema lag. Die Angst, dass die Täter von damals zurückkehrten, um auch noch die zu bestrafen, die die Gräber genannt hatten, war noch immer da, Henry hatte sie gespürt, als er Isabella zu Exhumierungen begleitet hatte.
    Mendoza verdarb allen die Freude am Essen.
    »Die Justiz war Franco verpflichtet, er hat sie aufgebaut, und die Priester haben die Listen geliefert, nach denen die Erschießungskommandos in den Dörfern vorgingen.«
    »Ihnen ist wohl nichts heilig?«, fragte Mendoza scheinheilig und merkte nicht, dass er sich weiter ins Abseits manövrierte. »Nicht einmal die Kirche, der Papst   …«
    »Hör mal gut zu, du Würstchen«, sagte Aguirre, der Zorn Gottes, und packte Mendozas Arm. »Bis jetzt habe ich mich rausgehalten, ich hasse Politik, aber wenn du uns mit deinem Gewäsch weiter den Abend verdirbst, wirst du alleinessen, aus der Kloschüssel. Kapiert? Wir sind hier alles Freunde, und die wollen wir bleiben. Also halt

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