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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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siebzehn Uhr am Pressecenter der Rennbahn treffen.«
    »Kommst du da rein?«
    »Sag mir besser, wo ich nicht reinkomme.«
     
    Die Stimmung an Tisch dreizehn war mies, alle waren über Henrys Verspätung verärgert und ließen es ihn auch noch spüren, als man gemeinsam den Bus nach Iffezheim bestieg. Nur gut, dass man das Ziel nach einer halben Stunde erreichte und das Gelände der Rennbahn sehr weitläufig war. Henry zog momentan das Bad in der Menschenmenge der Gesellschaft seiner Kollegen vor.
    Unter normalen Umständen hätte er sich nie ein Pferderennen angesehen, er empfand es als Tierquälerei, junge Pferde über eine Bahn zu jagen und damit Geld zu verdienen. Aber die Umstände waren nicht normal, und sie hatten die Eintrittskarten geschenkt bekommen, es sollte zusätzlich für die Juroren ein Stehempfang mit einem kalten Büfett stattfinden. Heckler musste über beste Beziehungen zu einigen Sponsoren verfügen, wenn vom gezahlten Startgeld der Importeure und Weinhändler für ihre angestellten Weine für ihn noch genug übrig bleiben sollte.
    Kaum hatte Henry die Kartenkontrolle am südlichen Eingang passiert, sah er rechts von sich die Köpfe der ersten Rennpferde über der Menge, die meist von jungen, recht herb wirkenden Frauen in einem weiten Kreis geführt wurden, vorbei an einem aufgeregten Publikum. Die Pferde mit den weit aufgerissenen ängstlichen Augen zappelten deutlich mehr als die Zuschauer, die sich am Führring von den Siegeschancen ihrer Lieblinge überzeugen wollten. Nervös tänzelten die langbeinigen Tiere über den Gummiboden, wandten sich ruckartig jeder Bewegung zu, rissen die Köpfe hoch, zerrten an den Zügeln und brachen aus, bereit, davonzujagen, so empfand es Henry, verwirrt und angestachelt vom Rufen und den Bewegungen der Menge. Die Jockeys, allesamt Fliegengewichte zwischen fünfzig und sechzig Kilo, wie Henry dem Rennprospekt entnahm, und so bunt angezogen wie Mendoza in seinem Traum, hatten Mühe, sie zu bändigen. Es sah ganz so aus, als wollten die Tiere wirklich rennen (vielleicht wegrennen, auf eine schöne grüne Wiese, und in Ruhe grasen?) und wären nicht zum Schaulaufen hier. Darum ging es ihren menschlichen Bewunderern, insbesondere den Weibchen der Spezies, obwohl bei den meisten die Eleganz längst auf der Strecke geblieben war. Der Campingplatz hatte, bis auf wenige Ausnahmen, auch die Rennbahn von Iffezheim erobert. Oder nur die billigen Plätze?
    Dieser Eindruck drängte sich auf, als Henry zwischen den zwei- und dreistöckigen Gebäuden hindurchging, sie flan kierten die lange Seite der eigentlichen Rennbahn, des Geläufs, wie es hieß. Er hatte zwar seine Akkreditierung für das Pressezentrum erhalten, aber er wollte sich das Geschehen erst einmal vom Boden aus ansehen, bevor er zum Club-Turm hinaufstieg. Auf den Terrassen und eingezäunten Rasenstücken zwischen Gebäuden und Bahn entsprachen die Garderoben schon weniger dem Campingplatz, dafür mehr einem lockeren, lässigen Stil, an den Tischen dann überwog die Eleganz des Geldes. Da traten teure creme-,lindgrün- und rosafarbene Roben zum Rennen an, staksten hohe Hacken über Waschbetonplatten, viele ihrer Hüte hätten als Dessertkreationen Furore gemacht, sie stammten mit Auflagen aus Passionsfrucht, Maracuja und Litschi eher vom Viktualienmarkt als vom Hutmacher, waren den Theatergarderoben entliehen, und die Arrangements aus Kunstblumen erforderten die intensive Zusammenarbeit von Floristen und Designern. Es war immer amüsant zu sehen, wenn die Kinder Muttis Kleiderschrank plünderten und sich verkleideten. Wieder einmal machten die Frauen das Rennen unter sich aus. Hier war die Welt in Ordnung, die Männer durften zahlen, ob sie noch viele Jahre vor sich hatten oder aus dem Grab heraus die lustige Witwe finanzierten.
    Vom Renngeschehen verstand Henry absolut nichts, nur dass der Reiter gewann, dessen Pferd als Erster durchs Ziel ging, geprügelt oder nicht. Henry stand teilnahmslos in einer johlenden Menge, hatte den Eindruck, dass jeder Zuschauer ein anderes Pferd auserkoren hatte und anfeuerte, das da im gestreckten Galopp auf sie zukam, die Jockeys beinahe auf dem Pferderücken stehend. Dann brach Jubel aus, als die Kavalkade vorbeistob, ausgerissene Rasenstücke hinter sich schleudernd, in einer weiten Kurve auslief und die Pferde einzeln zurückgaloppierten. Betreuer, Trainer und Besitzer liefen auf die Reiter zu, der eine oder andere von ihnen hob den Arm, aber wer hier gesiegt hatte, war

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