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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Henry schleierhaft.
    Die Pferde wurden mitsamt ihrer Reiter zwischen den Gebäuden durchgeführt, und die Wiese leerte sich auffal lend schnell, das Geschehen verlagerte sich zur Siegesfeier und den Wettschaltern. Henry fand einen Sockel, um sich zu setzen, und studierte den Rennprospekt. Wenn er den richtig verstand, war das eben das vierte Rennen gewesen.
    Das Roulette ließ sich einfach begreifen, es war nur Glück, der Black Jack auch, obwohl da ein wenig Bluff dazukam. Pferdewetten waren wesentlich komplizierter: Es gabInsider, Spezialisten, Kenner, Spieler, Veteranen, Profis, Narren und Süchtige   – wie beim Weinwettbewerb. Bei den Pferden gab es die Favoriten, die Außenseiter, die Gehandicapten und die geborenen Sieger, nicht anders gestaltete sich das Leben, die Mitläufer hatte er vergessen, es war wie unter den Winzern. Die einfachste Wette, die Henry für sich als Einstieg ins Auge fasste, war, ob der Sieger eine gerade oder ungerade Startnummer hatte. Wenn man Pferd und Reiter kannte, hatte man natürlich bessere Chancen, besonders, wenn man auf Sieg setzte. Man konnte auf Platz wetten und gewann, wenn »sein« Pferd unter die ersten drei kam. Die Platz-Zwilling-Wette war Henry zu kompliziert, die Zweier- und Dreierwetten waren da einfacher zu verstehen, die getippten Pferde brauchten einfach nur auf den Plätzen eins, zwei und drei in dieser Reihenfolge durchs Ziel zu laufen. Einfach nur! Die Viererwette war ähnlich, hier konnte man das meiste gewinnen und verlieren. Die Auswahl der Pferde und der Plätze nahm neuerdings auf Wunsch auch der Computer vor. »Quick Pick« hieß der Spaß. Mit zwölf Euro war man dabei, für diese Methode entschied sich Henry, denn er kannte höchstens drei Pferdenamen: Blauer Blitz, Get Happy und Chica Loca   – das Verrückte Mädchen gefiel ihm dabei am besten, denn der Name erinnerte ihn an die verrückte Amanda, ihre Önologin von Lagar.
    Dieser Gedanke brachte ihn schlagartig zurück in seine Wirklichkeit. Er war nicht hier, um sich zu amüsieren, er war hier, um einen Mörder zu suchen. Ihn dann zu fangen würde nicht mehr seine Sache sein, und er würde seinen Kopf aus der Schlinge ziehen, die Heckler für ihn und anscheinend auch für andere geknüpft hatte. Der musste hier auch irgendwo herumhüpfen, wahrscheinlich in seiner VI P-Lounge mit seinen VI P-Juroren und einem VI P-Champagner in der Hand. Den großen Auftritt mit Amber beim Rennen hatte eine kleine Kugel verhindert.
    Marion fehlte ihm. Er hätte sie gern ausgefragt und gesehen,wie sie auf seine Fragen reagierte. Seine Haltung ihr gegenüber hatte sich allein durch die Worte Kochs verändert. Vor einem flachen Gebäude hatten sich Besucher des Rennens an der Absperrung versammelt und folgten der Siegerehrung. Fünfzehntausend Euro gab es als Prämie für den Besitzer des Pferdes; wie viel der siegreiche Jockey bekam, entzog sich Henrys Wahrnehmung. Das Pferd, das gerannt war, ging leer aus.
    »Ist es nicht immer so?«, fragte eine Stimme hinter Henry, als hätte er Gedanken lesen können. »Wer richtig arbeitet, kriegt noch einen Tritt in den Hintern.«
    Klar, das konnte nur Frank sein, hier und heute mal im Anzug und mit Kameras behängt.
    »Gilt das auch für dich?« Henry konnte sich nicht vorstellen, dass Frank schlecht bezahlt wurde, andererseits befanden sich die Honorare für Fotografen im freien Fall. Und nahezu alles auf dieser Welt war längst fotografiert.
    »Mir geht es gut«, sagte er, »ich lebe mit einer wohlhabenden Frau auf einem wunderbaren, fünfhundert Jahre alten Weingut. Damit das so bleibt, muss ich sie gut pflegen. Wie ist es bei dir?«
    »Ich überlege mir zurzeit, ob ich auf dein System umsteige, es ist gesünder als meines. Ich bin ständig auf Achse, zu viel unterwegs, zu wenig bei ihr, ich glaube, ich mache es mir selbst zu schwer. Und hier dachte ich, dass ich ein paar interessante Tage mit netten Kollegen verbringen würde und mich dann den Kaiserstühler Burgundern widmen könnte, den grauen, späten und frühen, aber schon vor dem Abflug war der Wurm drin. Mir scheint jedoch, dass sich die Dinge wenden«, sagte er abschließend, »langsam zwar, aber ich sehe Licht. Wie ist es, sollen wir eine Wette wagen?«
    »Antonia ist längst vom Fieber gepackt, sie lässt nicht mit sich reden   – aber es ist egal, solange sie gewinnt. Wenn sie verliert, wird’s kritisch.«
    »Und   – hat sie heute gewonnen oder verloren?«
    »Hält sich in Grenzen«, meinte Frank. »Du

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