Sein letzter Burgunder
giltst als leuchtendes Beispiel für sie. Antonia hält dich für den absoluten Glückspilz. Komm, wir gehen sie suchen.«
Das kam Henry entgegen, er wollte ihr sowieso eine Frage stellen.
Sie fanden Antonia Vanzetti nicht an den Wettschaltern, wo die meisten Besucher ihre Wetten machten, sondern bei den Buchmachern, in einem verqualmten Raum mit alten Männern vor unzähligen Bildschirmen, auf denen die Ergebnisse aller Pferderennen der Welt flimmerten, unterlegt von bunten, vornüber gebeugten Männchen auf Pferderücken, gefilmt von nebenherfahrenden Kameraleuten.
»Damit du mich nicht falsch verstehst«, Frank hielt Henry zurück. »Antonia ist von dem Betrieb fasziniert, nicht vom Nervenkitzel, dass sie Geld gewinnen könnte.« Frank war sichtlich besorgt, dass Henry einen falschen Eindruck gewann.
Antonia Vanzetti hatte offensichtlich zwei alte, auf kalten Zigarrenstumpen kauende Rentner gefunden, mit denen sie sich bestens auf Italienisch unterhielt, und fühlte sich durch die Ankunft der beiden Männer gestört. Aber das Angebot, mit Henry zusammen eine Wette einzugehen, war verlockend. »Sie sind mein Glücksbringer. Zusätzlich habe ich diese beiden Experten – ehemalige Gastarbeiter – aus Turin …«
»Früher Fiat, dann Mercedes, heute richtige Pferde!«, warf einer der beiden lachend ein.
»Zurück zu den Wurzeln«, steuerte sein Kollege bei. »Wir hatten früher zu Hause auch welche.«
Sie entschieden sich für die Viererwette, bei der die getippten Pferde auf den Plätzen eins bis vier in der Reihenfolge, wie sie durchs Ziel kamen, gesetzt werden mussten. Henry entschied sich für den Quick Pick, Antonia besprach sich mit den Experten. Sie wollten im sechsten Rennen spielen, da liefen zehn Pferde über die Distanz von zweitausendMeter. Es würde spannend, denn sowohl der mit Daten der Pferde und Reiter gefütterte Computer wie auch die Experten hatten auf dieselben Pferde gesetzt.
»Wir müssen uns das Rennen von oben aus ansehen, von der Pressetribüne aus haben wir den Überblick.« Frank wollte sie dorthin führen, als Henry abrupt stehen blieb und Antonia Vanzetti brüsk zurückhielt.
»Sehen Sie dort die dunkelhaarige Frau mit dem langen Haar? Sie steht in der Reihe vor dem Wettschalter ganz rechts. Wissen Sie, ob sie Italienisch spricht?« Henry berichtete von der nächtlichen Begegnung. »Ihre Süditaliener sprechen, soweit ich es mitbekommen habe, kein Deutsch. Die Frau heißt Schönhals, sie stand heute Morgen auf dem Flur vor dem Fahrstuhl.«
»Ich habe mit ihr nie ein Wort gewechselt. Ich kann mich auch nicht erinnern, dass sie gestern in unserem Restaurant war. Soll ich sie ansprechen?«
»Besser nicht«, meinte Henry, es wäre ihm zu auffällig gewesen. Aber dann entschied er sich anders. »Doch bitte, tun Sie es, bitte auf Italienisch.«
»Was wollen Sie von ihr?«, fragte Antonia Vanzetti und meinte wohl, die Kupplerin spielen zu müssen.
»Fragen Sie, ob sie Ihnen die Wette erklären kann.«
Als seine Frau auf den Wettschalter zuging, beugte sich Frank zu Henry: »Ich habe mir so einige Gedanken gemacht, zu dem möglichen Motiv des Mörders. Könnte man herausfinden, ob Amber vorhatte, etwas zu publizieren, was anderen schaden würde? Schlechte Verkostungsergebnisse beispielsweise, der Verriss einer Kellerei?«
»Lässt man dafür jemanden erschießen?«
»Das ist eine Frage der Größenordnung, es kommt darauf an, um wie viel Geld es geht, wie verheerend die Folgen schlechter Bewertungen wären, wer den Schaden hätte … Oh, Antonia kommt zurück, deine Vermutung war anscheinend falsch. Sag schnell – weshalb sollte sie fragen?«
»Weil ich mich zu erinnern glaube, dass sie mit einem Handy am Ohr in meinem Flur stand, als der Haustechniker die Wanze in meinem Telefon entdeckte.«
»Du wirst abgehört? Sag das um Himmels willen nicht Antonia!« Frank legte Henry die Hand auf den Arm. »Ich regele das.« Er sah seiner Frau neugierig entgegen und empfing sie mit italienischen Worten, woraufhin Antonia Frank schelmisch drohte und ihm auf Italienisch antwortete. Anschließend wandte sie sich an Henry.
»Sie konnte mir das Wettsystem nicht erklären, aber sie spricht tatsächlich fließend Italienisch. Im Übrigen ist sie verheiratet, ich habe den Ehering gesehen, du solltest dich schämen.«
Henry reichte die Antwort, und sie machten sich auf den Weg zum Pressezentrum.
Der Starterwagen stand in etwa zweihundert Meter Entfernung auf der jenseitigen
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