Sein letzter Burgunder
Licht ausgeht.
Frank hatte den Arm um seine Frau gelegt. Beide waren ernst, aber sie zumindest lächelte Henry milde entgegen. Es sah aus, als hätten sie sich ausgesprochen und als wären sie sich einig geworden. Er sah in ihren Augen einen Ausdruck von absoluter gegenseitiger Akzeptanz. Nur so geht es, dachte er, nur so lässt sich gut miteinander leben.
»Ich kümmere mich allein um alles Weitere«, sagte Henry, obwohl es dem Anschein nach nicht mehr nötig war, für gutes Wetter zu sorgen.
»Machen Sie sich keine unnötigen Gedanken, Henry.« Signora Vanzetti ergriff die Initiative. »Ich werde meinen Mann nicht von dem abbringen, was er meint, machen zu müssen. Ich habe erfahren, dass Sie einem jungen Winzer halfen, der um sein Weingut in Portugal gekämpft hat. Frank ist vor zwei Jahren auf einer Fotoreportage über den Rio Douro dort gewesen und kennt die Geschichte. Wenn diese gegenseitige Hilfe ausbleibt, sind wir verloren. Auf berufsmäßige Helfer ist längst kein Verlass mehr, das haben wir selbst erfahren. So hilft man sich eben gegenseitig. Aber seien Sie vorsichtig. Es gibt Momente im Leben, da rettet man den Sieg nur durch den rechtzeitigen Rückzug.«
»Jetzt sollten wir den Aufzug nehmen«, meinte Frank, dem die Worte unangenehm waren. »Von oben haben wireinen besseren Blick. Nachher gehe ich mal rüber zum Starterwagen, dann steht die Sonne tief, wir sind hier fast im Süden, es wird ein wunderbares Streiflicht geben, das will ich haben, dazu die Pferde, wie sie aus den Boxen springen.«
Sie standen am Geländer der Terrasse mit einem Glas Grauburgunder, er war kräftig, er hatte genügend Säure, passte zur Pasta mit den Champignons und zu dem warmen Nachmittag. Ein Rennen war gelaufen, ein weiteres in Vorbereitung. Henry hatte sich das Opernglas ausgeliehen, sich weit übers Geländer gelehnt und betrachtete die Gäste auf der bis an das Geläuf reichenden Terrasse rechts unten. Er stutzte. Da war Heckler im Anmarsch, mit Gefolge, eingerahmt von Männern, von denen er nur einen kannte. Es war jener Landespolitiker, jetzt Oppositionschef, dem Henrys Zwischenrufe den Auftritt vermasselt hatten. Hier aber standen einige Gäste auf, klatschten Beifall und schüttelten ihm die Hand. Heckler grinste stolz über beide Ohren, dass er ihn hergebracht und damit sich und die Rennbahn aufgewertet hatte, denn jetzt kam auch die Presse, katzbuckelnd wie Hofschranzen. Aber niemand vergaß ehemalige Freunde und Helfer schneller als ein Politiker. Wusste Heckler das nicht? Hinter ihm ging Marion, heute im Renn-Look, ganz in Babyrosa, mit wagenradgroßer Schleierkreation auf dem Kopf, vertraulich eingehakt bei einem Mann, der ihr Vater hätte sein können.
Wirke ich ähnlich, wenn ich bei Isabella eingehakt durch die Tapaskneipen von Logroños Altstadt schlendere, so verliebt wie vor Jahren, als wir uns kennenlernten? Doch jetzt erforderte der lange Kommissar an Marions anderer Seite Henrys Aufmerksamkeit. Vermutete etwa auch die kriminaltechnische Bohnenstange der Mordkommission Ambers Mörder hier?
Die Hand auf der Schulter ließ Henry zusammenfahren, das Adrenalin jagte ihm durch die Glieder, für eine Sekunde glaubte er, dass ihn jemand über das Geländer werfen würde.
15
Ein harter Aufprall
Henry ging in die Knie und fuhr herum.
Grinsend stand Koch hinter ihm. »So ein schlechtes Gewissen? Oder Angst vor dem Mörder?«
Aufgebracht schnauzte er Koch an: »Sind Sie wahnsinnig, Mann? Ich hätte abstürzen können.«
»Sie doch nicht, Kollege Meyenbeeker, Sie doch nicht, so abgebrüht, wie Sie sind. Soll ich Ihnen verraten, wer da unten herumläuft?«
Widerstrebend ließ Henry sich ans Geländer schieben. »Ich weiß es«, gab er verärgert zurück. »Spielen Sie den Mephisto?«
»Mehr den Flaschenteufel. Sie halten sich ja auch nicht für Dr. Faust. Und außerdem verkennen Sie mich. Da unten lustwandeln Heckler
and friends
, der Kommissar Neureuther gehört nicht dazu, dazu steht er zu weit unten in der Hierarchie, wohl aber Bankier Münnemeyer von der hiesigen Deutschen Bank und jemand, der auf Teufel komm raus Starwinzer werden will: J. J. – John Johansen, Anlageberater, Schaumschläger und Immobilienhai. Die beiden zusammen mit Heckler nennt man ›Die Glorreichen Drei‹. Was sie anpacken, gelingt.«
»Da beginnt wohl gerade ihre Pechsträhne«, meinte Henry trocken.
»Johansen will in Sachen Wein zum Global Player aufsteigen, aber er kann einen Rotwein kaum von einem
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