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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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präsentierten ihnen den Weißwein Blanco de Alboloduy aus der Rebsorte Jaén Blanca. Sie war zugunsten roter Sorten aus der Mode gekommen.
    Ein sehr feiner, frischer und fruchtiger Weißer war das, reife Aprikose schmeckte Henry heraus, Mango und Apfel, eigentlich behagte es ihm wenig, in seinem Newsletter das Geschmacksbild in Einzelteile zu zerlegen. Ein deutscher Weinwettbewerb hatte den Wein mit einer Goldmedaille prämiert   – zu Recht, wie Henry empfand. Kochs Augen wanderten derweil von Marion Dörners Ausschnitt zu ihren Notizen   – und er hatte offenbar etwas zu meckern. Es störte ihn keineswegs, dass alle anderen es merkten.
    Anders als die französischen Roséweine waren die spanischenRosados herb statt süß, so auch dieser Syrah oder Shiraz, den der Winzer und seine Frau ihnen vorsetzten. Auch diese Trauben waren oberhalb von eintausend Metern gewachsen. Erdbeere, Kirsche und Himbeere schnupperte Henry heraus. Der fast schwarze Wein zum Schluss war konzentriert und gehaltvoll und blieb dabei unerwartet leicht, er machte weder satt, noch kratzten seine Tannine am Gaumen, und in der fünfjährigen Reifezeit hatte die Süße der Holzfässer ihr dominantes Aroma glücklicherweise verloren. Einen solchen Wein hätte Henry hier nicht vermutet, aber je mehr er sich mit Spaniens Weinen beschäftigte und ihre Gleichförmigkeit beklagte, wofür er den Weinguru Alan Amber und sein Geschmacksdiktat nach dem Hundert-Punkte-Schema verantwortlich machte, desto mehr entdeckte er Weine, die sich dem sperrten, und Winzer, denen diese Bewertung gleichgültig war.
    »Das ist nicht dem Selbstbewusstsein der Winzer zu danken«, merkte Koch ungefragt an, »bei den geringen Mengen, die diese Leute produzieren, gelangt kaum eine Flasche davon nach Deutschland!«
    Spira hieß der nächste Wein, den sie vor dem Essen noch probieren sollten. Im Guia Penin, Spaniens wichtigstem Weinführer, hatte er in den letzten Jahren mal neunzig, dann einundneunzig, neunundachtzig und zuletzt wieder einundneunzig Punkte erhalten. Wie sich diese Bewertungen zusammensetzten, ob gezielt gemogelt, ob die Punkte gekauft waren oder ob eine »objektive« Jury dem Wein eine Goldmedaille verpasst hatte, war Henry egal, ihm kam es darauf an, wie er den Wein betrachtete, wie er ihn empfand, was er ihm sagte, wozu man ihn trinken konnte und wie er seine Entwicklungschancen beurteilte. So hatte er es damals bei der Zeitschrift Wein & Terroir gehalten, so hielt er es heute. Und zu den Weinen der Bodega seiner Freundin äußerte er sich nicht. Maßgeblich war sein eigenes Urteil und nicht das anderer, mochten sie nun Alan Amber oderRobert Parker heißen, Hugh Johnson oder GaultMillau, auch wenn man sich der Bewertung anderer stellen musste. Galt das nicht für Menschen ebenso? Wichtig war zu wissen, nach welchen und wessen Regeln gespielt wurde.
    »Sie sind auch nach Baden-Baden eingeladen«, sagte Koch beim anschließenden Essen, »da bin ich auf Ihre Bewertungen gespannt.«
    »Wie wollen Sie die beurteilen?«, fragte Henry.
    »Wir prüfen die Weine nach den Regeln der OIV, der Internationalen Organisation für Rebe und Wein, da lässt sich hinterher feststellen, ob Sie für die Farbe vier, fünf oder sechs Punkte gegeben haben.«
    »Und das bekommen Sie zu sehen?«
    »Klar, wenn ich will«, meinte Koch selbstgefällig.
    »Und wenn ich es anders sehe als Ihr Verlag, der den Wettbewerb ausrichtet?«
    Sofort herrschte Stille am Tisch, auch die anwesenden Spanier bemerkten den Stimmungsumschwung, sie verstummten.
    »Dann werden Sie kaum wieder eingeladen!« Koch überspielte den scharfen Ton mit einem Lachen, doch die Kollegen wussten, dass es ernst gemeint war. »Wie gefällt Ihnen der Wein, den wir zuletzt probiert haben?«, fragte Koch provokativ.
    Danach war nur das Klirren der Gabel zu hören, die Henry genervt auf den Teller legte. »Sehr warm, sehr dicht, ein Wunder bei dem geringen Alkoholgehalt von nur 12,5   Volumenprozent. Es ist ein korrekter, sehr moderner Wein   …«
    »…   die Trauben werden bei Nacht gelesen   …«
    »…   er ist aber nichts für Entdecker, Spaß macht er nicht, er trifft lediglich den gegenwärtigen Geschmack.« Damit schloss Henry seinen Kommentar, schlug die Kladde zu, in der er seine Beobachtungen notierte.
    »…   und den Geschmack gewisser Verkoster, die auf Massenprodukte setzen«, hatte er noch anfügen wollen, aber erwollte die Spannung zwischen sich und Koch nicht weiter erhöhen. Der Mann hatte ein

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