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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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hatten bisher nicht das zweifelhafte Vergnügen.«
    »Ich dachte, Sie beide hätten eine wie auch immer geartete Geschichte miteinander.« Die letzten Worte hatte sie Henry fast ins Ohr geflüstert, er fühlte ihren Atem auf seiner Wange. »Er duldet niemanden neben sich, nur seineMeinung gilt, er weiß alles. Er hat Ihr Buch über iberische Weine rezensiert. Er fand es oberflächlich, langweilig und schlecht recherchiert. Er hat’s mir auf dem Flug hierher erzählt.«
    »Wissen Sie, liebe Frau Dörner, wenn ich mir darüber Gedanken machen würde, was andere Leute von mir halten, käme ich kaum zum Arbeiten.«
    Marion seufzte, sie schaute Henry an, dann blickte sie aus dem Fenster. Eine Art moderner Geisterstadt zog vorbei, sterile Straßenzüge mit einsamen Laternen, die Ruinen des spanischen Wirtschaftswunders. Die Baulöwen hatten das hier verdiente Geld in neue, überdimensionierte Kellereien gesteckt, die kleinen Anleger hatten alles verloren.
     
    Das Hotel, das sie bei Einbruch der Nacht erst erreichten, war schön, das Essen ausgezeichnet, nur passte die Weinkarte nicht dazu. Marion Dörner wollte nach dem Essen noch plaudern, die warme, sternklare Nacht lud dazu ein, aber Henry musste schlafen. Die Reise war anstrengend gewesen. Und Frau Marion Dörner wurde ihm zu persönlich, sie rückte ihm immer näher auf die Pelle, dabei kannten sie sich erst einen Tag   …
    Am nächsten Morgen besuchten sie den Süßweinproduzenten Axarquía bei Almárchar   – wieder Namen, die wie Alpujarra, Almeria und Andalusien, auf die Araber zurückgingen. Derart steile Weinlagen kannte Henry nur von der Mosel. Aber diese hier, dem Ursprungsgebiet der D.O.   Sierras de Malaga zugehörig, waren nicht terrassiert. So arbeiteten sich die Bauern, die der Bodega ihre Trauben verkauften, die siebzigprozentige Steigung über roten Schiefer und Quarz mit der Hacke hinauf, immer vom Absturz bedroht. Es war zu viel Mühe für die Qualität, die dabei entstand, und das Wissen, dass der Sohn von Alois Kracher, ehemals Österreichs bester Süßweinproduzent vom Neusiedler See, die Hand mit im Spiel haben sollte, legte die Messlatte zuweit nach oben. Nur der Victoria 2, nach Ananas und Mango duftend, eine Spur Karamell dazu, überzeugte Henry auch mit der Intensität des Geschmacks und dem langen Nachklang.
    Da kamen ihm die Weine der holländischen Quereinsteiger Bodegas Bentomiz aus Sayalonga eher entgegen, besonders ihr Wein Ariyanas Naturalmente Dulce, »natürlich süß«. Die Rebsorte hieß Moscatel de Alejandria, und der Wein duftete schön, die Frucht war nicht von Karamelltönen überlagert, die leichte Säure hielt den Wein am Leben. So und nicht anders stellte Henry sich einen Süßwein vor   – und dazu erschwinglich. Dieser Wein wurde nur noch vom Ariyanas Terruño Pizarroso übertroffen, der sechs Monate im Barrique gereift war, mit Aromen von reifem Pfirsich, von Honig und Rosinen. Die winzige Spur Mineral ließ den Schiefer ahnen, auf dem er gewachsen war.
    Für Henry war es nicht erstaunlich, dass die Weine Südspaniens trotz der großen Hitze frisch und leicht ausfielen. Es war dem Unterschied zwischen Tag- und Nachttemperatur zu verdanken, denn in der Region von Ronda, wo sie bei fünfunddreißig Grad im Schatten auf achthundert Meter Höhe den klimatisierten Bus verließen, sank nachts die Temperatur bis auf zwölf Grad.
    Hier führte Juan Manuel Vetas seine Ein-Mann-Show vor, in einer winzigen Bodega, die mehr einer Privatkapelle glich. Ringsum, auf dem Ein-Hektar-Weingut, wuchsen Petit Verdot, Cabernet Franc und Cabernet Sauvignon, und aus diesen französischen Reben war ein grandioser Wein entstanden. Leider gab es davon pro Jahr nur dreitausend Flaschen.
    Als ihnen am Abend hoch über der Schlucht von Ronda der Würtemberger Friedrich Schatz seine Weine vorstellte, suchte Marion Dörner wieder Henrys Nähe, mit jedem Glas rückte sie näher, und er suchte den Abstand.
    Schatz’ Produktion war etwas umfangreicher und vielseitigerals die des Spaniers. Sein Spätburgunder, hier Pinot Noir, interessierte Henry besonders. Er bewegte sich auf der klassischen Linie: Er blieb leicht und durchsichtig wie ein Pinot aus dem Burgund, hatte ein schönes Kirschenaroma, war trocken und lebendig. Auch die anderen Weine waren fehlerfrei, wobei sich hier der Petit Verdot wieder an die Spitze drängte. Neu war der Rosado aus Muskattrollinger, dem der Ausbau im Holzfass nichts von seiner Frische nahm. Und er war weit von der

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