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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Mittelmeer, links ließen sie die Alhambra hinter sich, weit überragt vom Mulhacén, Spaniens höchstem Berg. Auf der einen Seite stützte ihn der Caballo, das Pferd, auch im Sommer mit weißer Mähne. Auf der anderen gab ihm der Cerro Pelado den nötigen Halt, der Nackte Gipfel. Der weiter im Osten liegende Cerro de Revélez war schon deutlich unter dreitausend Meter. Aber diese Berge, noch mit Schnee bedeckt, die nördliche Grenze der Alpujarras, waren nicht ihr Ziel. Sie überquerten bald den Guadalfeo und schlängelten sich auf schmalen Bergstraßen an den Falten der Contraviessa hinauf, dem eigentlichen Küstengebirge gegenüber der Sierra. Sie erreichten den Treffpunkt, eine Kneipe an der einsamen Straße. Die Mandelbäume waren längst verblüht, aber der Ginster leuchtete noch strahlend gelb. Dort wartete im warmen Hauch von Rosmarin und Thymian Hilgard, ein deutscher Winzer, auf sie, ein ehemaliger Frankfurter Weinhändler, der gelassen dem Einfall der Journalistenhorde entgegensah.
    Er stieg in seinen alten Landrover und fuhr voraus zu seinen Rebbergen. Sie lagen auf dreizehnhundert Metern Höhe, dem Scheitelpunkt der Contraviessa. Tief unten im Süden schimmerte das Mittelmeer. Afrika, das jenseitige Ufer, hüllte sich in Dunst. Im Norden hingegen öffnete sich das atemberaubende Bergpanorama der Sierra Nevada, esließ dem Himmel nur wenig Raum. Und wuchtig, als wolle sie den Zugang verwehren, erhob sich im Osten die Sierra de Gádor. Hexen soll es dort gegeben haben, erinnerte sich Henry und fand es gar nicht so abwegig.
    Hier standen sie jetzt auf einem der höchsten Weinberge Europas im trockenen Staub. Bis Oktober würde kein Tropfen Regen fallen, doch vierhundert Millimeter Niederschlag im Jahr ließen die Weinstöcke überleben. Sie wirkten gesund, üppig und grün. Vierzig Grad erreichte die Temperatur hier, im Schatten, wie der Winzer anmerkte, aber die Kühle der Nacht, vielmehr die Unterschiede waren das, was die Rebsorten Tempranillo, Cabernet Sauvignon und die wenigen Stöcke Merlot auf Hilgards acht Hektar schätzten. Sie standen auf Schiefer, von Lehm und Ton durchsetzt. Nach diesen Erklärungen fuhr man bergab, wenige Minuten nur, um in der kleinen Kellerei Los Barrancos das oben Gewachsene zu probieren.
    Henry merkte, wie Marion Dörner ihn verstohlen beobachtete, aber sie lächelte jedes Mal, wenn ihre Blicke sich über dem Tisch trafen und sie dann wieder das Weinglas vor sich betrachtete. Henry war irritiert, beim Probieren ließ er sich ungern ablenken, auch nicht von einer gut aussehenden Frau, denn was Hilgard ihnen vorsetzte, war ausgezeichnet.
    Bei einer vertikalen Probe durch die Jahrgänge rückwärts ließ sich wunderbar erkennen, was der Boden hergab, wie ein Önologe damit umging und wie sich der Wein im Laufe der Lagerung veränderte. Der Corral de Castro, eine Cuvée aus Tempranillo mit einem Anteil Cabernet, der ihm Struktur und Gerüst gab, war durchweg harmonisch, intensiv im Geschmack, fühlte sich weich an und zeigte ein schönes Beerenaroma. Der acht Jahre alte Wein gefiel Henry am besten, der neun Jahre alte verlor nicht nur Geschmack, sondern änderte auch die Farbe. Der Cerro de la Retama mit einem höheren Cabernet-Sauvignon-Anteil war Henry zu wenigspanisch, dafür war der Los Felipes genannte Wein, ein Mischsatz eben dieser Rebsorten, grandios. Deutlich unterschieden sich die Aromen von Beeren, Kirsche, Leder und Tabak, ein Hauch Schokolade kam hinzu. Das Geschmacksbild war klar und doch vielseitig, der Wein war kräftig, aber nicht schwer, und die Tannine verliehen ihm die nötige Härte. Bei der Hitze hier oben hätte Henry marmeladige Weine vermutet, schwer und satt machend, aber der Los Felipes war es nicht. Er setzte einen Standard, er war ein Maß, an dem sich die ihnen in den nächsten Tagen präsentierten Weine würden messen lassen müssen.
    »Es ist selten, dass man gleich zu Beginn einer Weinreise den Schrittmacher vorgesetzt bekommt«, sagte Henry und erntete von Koch einen bösen Blick und von Marion Dörner ein Lächeln. War das Zustimmung, oder bedeutete das etwas anderes?
    Er hätte sich gern länger hier aufgehalten, mit dem Winzer gesprochen, wie er es auf seinen eigenen Reisen tat, aber der Reiseplan, Rudolph Schneiders »Zeitfenster«, was für ein dämlicher Ausdruck, trieb sie weiter. Die nächste Probe fand unter dem Strohdach eines Landgasthofs statt, dort warteten bereits zwei Winzer mit ihren Gewächsen.
    Cristina und Paco Calvace

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