Sein letzter Burgunder
geradezu mit Gewalt beiseiteschieben, wie auch alle Gedanken an das, was ihn dort erwarten konnte. Sie mussten nur noch packen.
Jetzt warteten die Weine auf ihn, die angenehmste Seite seines Berufs. Sie wuchsen in begrenzter Menge, anders als andere Winzer hielt Herr Huber, der ernsthaft und bescheiden wirkende Agronom, von großer Statur und freundlich unaufdringlichem Wesen, die Mengenbegrenzung im Weinberg für eine Voraussetzung, um Qualitätsweine zu erzeugen. Fünfunddreißig bis fünfundvierzig Hektoliter pro Hektar waren es bei den Großen Gewächsen an der Spitze der Qualitätspyramide, fünfzig Hektoliter bei den anderenWeinen. Bei den steilen Hängen konnte wegen der Neigung nur von Hand gelesen werden, jeder Vollernter wäre abgestürzt, und mit seinem Gewicht hätte er den Boden verdichtet.
All jene, die meinten, auf Staatsweingütern würde nur rumgesessen und Steuergeld verpulvert, straften die Weine vom Doktorgarten Lügen. Auch Henry und Frank revidierten nach den ersten Proben ihr Urteil, mitten in der Probe waren die kalabrischen Mafiosi längst vergessen, und als der letzte Spätburgunder ausgetrunken war, viel zu schade zum Ausspucken, waren sie begeistert. Von den einfachen Qualitäten des Weißburgunders über den trockenen Grauburgunder Kabinett bis zu den Großen Gewächsen des Spätburgunders, die wirklich eindrucksvoll waren, zeigte sich bei allen Weinen Tiefe, Extrakt, Struktur und geschmackliche Fülle. Frank bevorzugte als Chianti-Fan die säurebetonten und mineralischen Weißburgunder. Henry mit seinem spanisch geprägten Gaumen stand mehr auf die kraftvollen Spätburgunder. Sie soffen nicht in der marmeladigen Fülle sonnenverwöhnter Wuchtigkeit oder der Weichheit burgundischer Gewächse ab und liefen den Franzosen zu Recht den Rang ab.
»Wie geht’s weiter?«, fragte Frank, als Henry den Wagen die Serpentinen hinunterrollen ließ. »Die Schönhals hat in Ihringen gewohnt, ihre Eltern leben dort, vielleicht gehören auch sie, wenn nicht zu den Aktiven, so doch zu den Schweigenden – oder den Schläfern?«
»Der Neureuther soll sich drum kümmern, der wird bezahlt, damit er aufräumt.«
Frank hatte Zweifel. »Der macht das nie, wenn die Politiker kein grünes Licht geben. Wenn in Italien mit Mafiageld Wahlen finanziert werden, wieso nicht auch hier? Ich habe das erlebt.«
»Hier ist nicht Italien,
amigo mío
.«
»Das glaubst du auch nur. Italien ist überall.«
»Dann knöpfen wir uns eben später den Koch vor, der ist fällig, der bringt sich mit seinen albernen Küchenmessern beinahe selbst um.«
»Aber seine Alte ist beinhart.«
»Egal! Ich will das hinter mich bringen, ich habe sonst keine ruhige Minute mehr.«
19
Rebeccas Auftritt
»Wo steckst du? Seit gestern versuche ich, dich zu erreichen.« Isabellas Stimme schwankte zwischen Vorwurf und Besorgnis. »Sie haben deine Wohnung durchsucht und verwüstet, es soll das totale Chaos herrschen. Deine Nachbarin meint, die Männer gesehen zu haben. Sie trugen braune Uniformen, wie die von dem Paketdienst, sie dachte, sie hätten eine Lieferung, einer trug einen Karton in Händen. Es tut mir leid, das sagen zu müssen, es soll so gut wie nichts heil geblieben sein, sagt auch die Polizei. Sogar die Polster wurden aufgeschlitzt, die Decken zerschnitten und die Papiere zerrissen, dein ganzes Archiv … sie haben sich richtig Mühe gemacht. Man könne alles wegwerfen, meinte die Nachbarin, nur in der Küche haben sie nichts angerührt, das Porzellan zu zerschlagen wäre laut gewesen. Ihren Namen habe ich vergessen, nein, Olga heißt die Nachbarin, sie …
»… Venturea …«
»
Sí, exactamente
, Venturea. Ob was gestohlen wurde? Henrique,
dios mío
, – so sag doch was, bitte, bist du noch dran? Hallo?«
Henry war nicht überrascht, und das wieder überraschte ihn und bestätigte seinen Entschluss. »Mendoza – das kann nur er gewesen sein, der Drecksack, oder der Lump, der euch die Chlorbleichlauge … oder beide, oder dein Bruder. Wenn ich einen von denen in die Finger kriege, denke ich mir was aus.«
»Henrique, du kriegst nur Ärger, überlass das der Polizei. Salgado ist dran …«
»Ich will ihm nicht noch mehr aufbürden, der arme Kerl ist sowieso völlig überlastet. Außerdem ist er nicht unser Privatpolizist. Weiß man schon, wer …«
»Nichts. Salgado kümmert sich um mögliche Spuren. Weshalb hast du dich nicht gemeldet? Du hast auch keine Mail geschickt. Was ist da los?
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