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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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ihnen in den Rückspiegel. »Hauptsache, du hast Geld, und nachdem man es richtig angelegt hat, fragt keiner mehr, woher es stammt. Ich frage mich nur, weshalb Neureuther uns hier weghaben wollte. Sollen wir uns nicht weiter in die Sache reinhängen, oder hat er Angst um uns?«
    »Polizisten haben nur Angst um den eigenen Hintern und die eigene Familie.« Frank hielt Neureuther nicht für einen schlechten Polizisten, aber der Fall Amber war zu groß für ihn, und jetzt, in Verbindung mit der ’Ndrangheta, war er extrem kompliziert geworden. »Er ist nur ein Rädchen, vielleicht will er wirklich nicht, dass wir ins Getriebe geraten. Er wird den Laden kennen, er wird wissen, wer oben auf der Pyramide die Ansagen macht   …«
    Henry schlug vor, sofort zu packen und auf verschiedenen Wegen nach Freiburg zu fahren, jeder in seinem eigenen Auto, und dort ein Hotel zu suchen, die Stadt war anonym. »Die Autos stellen wir in die Tiefgarage, da sieht man sie nicht zufällig. In den Hotels kann man irgendeinen Namen angeben, da will niemand einen Ausweis sehen. Noch eine Woche   – dann haben wir’s geschafft, wenn das Wetter so bleibt.«
    Es hatte sich bezogen, weit im Westen hingen graue Regenfahnen vom Himmel, Blitze zuckten über den Vogesen, aber hier blieb die Erde trocken.
    »Was passiert, wenn deine Frau kommt? Wie findet sie uns?«
    »Ich kann sie anrufen und ihr sagen   …«
    »Nicht, dass sie ins offene Messer läuft.« Henry war klar, dass Frank an das Messer des Kochs dachte.
    »Wird sie nicht. Brunner braucht es, um sich selbst die Finger abzuschneiden.«
    Er hatte den Satz kaum beendet, als sie auf den Parkplatz des »Il Calice« einbogen. Unter den Wagen, die dort standen, war Franks Lancia der einzige mit italienischem Nummernschild. Das Cabriolet, mit dem Signora Brunner normalerweise unterwegs war, fehlte. Das machte die klammheimliche Abreise leichter. Die meisten Fenster des Hauses waren dunkel, aber im Restaurant und in der Küche brannte Licht, hinter den Milchglasscheiben bewegte sich schemenhaft eine Gestalt, das musste der Koch sein, er war allein. Henry brachte seine Aktentasche auf sein Zimmer und warf sicherheitshalber einen Blick auf die von Windlichtern spärlich erhellte Gartenterrasse. Dort saßen noch zwei verliebt flüsternde und Händchen haltende Pärchen, beide vor einer Flasche Wein. Sie machten keinen gefährlichen Eindruck.
    Frank, der auch heruntergekommen war, meinte, dass Entspannung trotzdem nicht angesagt war, sie sollten schleunigst die Koffer packen.
    Unbewusst waren sie dem Klappern von Töpfen nachgegangen und standen vor der Küchentür, als plötzlich wieder ein Teller zu Boden fiel.
    »Der ist am Ende«, flüsterte Henry, »aber zum Kassieren wird seine Kraft wohl reichen.«
    »Ob er für uns noch was zu essen hat?«
    »Mich interessiert mehr, ob er uns was sagen will oder zu sagen hat.«
    »Du kannst es nicht lassen, ist das krankhaft? Der Reporter steckt eben in dir.« Aber trotz seiner Vorbehalte kam Frank mit.
    Der Koch glaubte sich allein, daher fuhr er zusammen, als beide Männer die Küche gleichzeitig betraten.
    »Was wollen Sie hier?«, fragte er entsetzt und wich zurück. »Wir haben geschlossen.« Er sah sich um, sein Blick blieb an dem Messerblock haften, dann machte er ein Gesicht, als fühlte er sich ertappt. »Bitte, gehen Sie, ich will nicht, dass noch mehr   …«
    »Lassen Sie den Unsinn«, fuhr ihn Henry an. »Zurzeit können Sie mit den Klingen nicht besonders gut umgehen, Sie tun sich nur selbst weh. Wir sind zu zweit, wir werfen mit Kochtöpfen und schlagen mit den Pfannen zu.« Er hatte sofort gesehen, wo sie hingen.
    Die massige Gestalt in Weiß wirkte verzweifelt, entmutigt und gehetzt. Brunner ließ die Schultern sinken.
    »Was wollen Sie?« Er seufzte und gab sich selbst die Antwort, es schimmerte etwas wie Hoffnung durch. »Was kann man in einer Küche schon wollen, außer sich etwas zu essen holen. Nicht wahr?« Es hörte sich nicht nach einer Frage an, es war die flehende Bitte, ihn mit allem anderen außer mit dem Essen zu verschonen. »Kann ich jetzt noch was Gutes für euch tun?«
    Das Gesicht des Kochs verwandelte sich in eine Bitte um Gnade. Er wusste, dass er nicht vorzugeben brauchte, nichts von den Vorfällen der letzten Tage zu wissen oder gar selbst nicht darin verstrickt zu sein. Das war klar. Kochen zu dürfen verschaffte Brunner eine Art Galgenfrist. Das war seine Passion, sein Beruf, sein Leben. Er hätte bis in alle

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