Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
Vom Netzwerk:
Trollinger-Lorke aus deutschen Supermärkten entfernt.
    »Haben Sie eigentlich vor, Frau Isabella Peñasco zu heiraten?«, fragte Koch in eine Gesprächspause hinein. »Dann wären Sie der gemachte Mann!«
    Henry blickte ihn an, starr und perplex. Woher wusste Koch von seiner Beziehung zu Isabella? Hatte er sich über ihn und Bodegas Peñasco informiert, bevor man die Einladung zur Challenge verschickt hatte? Es war immerhin fünf Jahre her, dass Isabella und er in der Presse zusammen genannt worden waren. Das zeigte die engen Beziehungen in der Branche. Es gab immer einen, der irgendetwas von einem wusste   – und es ausnutzte.
    Er blickte Marion an. Sie würde sicher sofort fragen, wer Isabella sei   – aber sie hatte Kochs Frage überhört. Absichtlich?

2
Barcelona bei Nacht
    Zwei Schlösser sicherten die Wohnung im siebten Stock. Die Aussicht war zur Hälfte durch Hochhäuser verstellt, zur anderen Hälfte öffnete sich ein grandioser Blick über die Kraterlandschaft der Moderne auf die Berge hin. Das Viertel war ruhig, hier passierte wenig im Vergleich zum Barrio Chino, wo Henry die ersten Jahre in Barcelona gelebt hatte, als die Stadt für ihn noch spannend und neu war und er sich herumgetrieben hatte. Neu war sie nicht mehr, und die Spannung ließ mit der Zeit nach, so wie die Anziehung des Boqueria-Marktes an den Ramblas,
un dels millors mercats del mon
, wie es auf Katalanisch hieß, einer der besten Märkte der Welt. Er selbst kaufte jetzt auf dem Sant Antoni ein, seit Boqueria den Charakter verloren hatte, betrieben von Latinos, die hier ihre Geschäfte hauptsächlich mit Fruchtsäften und Fertigfutter machten, statt mit frischem Fisch, Fleisch und Obst   – und die Kolumbianer mit Koks. War dieser Wandel ein Zeichen, dass er selbst älter wurde, dass er jetzt lieber in einem ruhigen und spießig bürgerlichen Viertel wohnte, dass ihm die Bar an der Ecke genügte und er die Tiefgarage im Hause schätzte?
    Im Cafè de l’Òpera auf den Ramblas lungerte er weiterhin gern herum und würde sich heute Nacht dort mit Daniel Pons, seinem besten Freund treffen. Er war gespannt, was Daniel zu den Drohbriefen sagte.
    Die Schlösser zur Wohnung waren intakt, Henry schlossauf und musste das Licht einschalten. Die Jalousien schlossen dicht, es herrschte absolute Finsternis, dafür blieb es angenehm kühl. Er ließ normalerweise sämtliche Türen offen, und so hatte sich der Duft reifer Früchte aus der Küche überall hin verteilt, aber etwas roch nach Schimmel. Er stellte das Tragegestell mit den Weinproben im Flur ab, trug den Koffer ins Schlafzimmer, warf ihn aufs Bett und ging in die Küche. Es war tatsächlich eine Orange verschimmelt. Er warf sie in den Mülleimer und ging ins Büro, machte das Licht an, warf die Post auf den Schreibtisch und zog die Jalousien hoch. Jetzt fiel sein Blick auf sein Weinarchiv, dessen Ordner, Mappen, Bücher und Broschüren die Regale an allen vier Wänden füllten. Er dachte wieder an Peñasco und daran, dass er seine Arbeit aufgeben musste, dass alles, woran er fünf Jahre gearbeitet hatte, sich erübrigen würde. Wie sollte er sich davon trennen?
    Er setzte sich an den Schreibtisch und schaute im Rechner als Erstes nach Isabellas Begrüßungsmail. Sie war da, die Nachricht, vor zwei Stunden eingetroffen, nicht so euphorisch wie sonst, aber er freute sich über ihre Geste. Wie es Isabellas Art war, hielt sie mit dem, was sie am meisten bewegte, hinter dem Berg und hatte die Drohungen mit keinem Wort erwähnt. Henry hatte lange gebraucht, bis er mit dieser Art umgehen konnte und sie nicht mehr als mangelndes Vertrauen, nicht als gegen sich gerichtet betrachtete. Er kannte den Hintergrund, auf dem dieses Verhalten gewachsen war. Der familiäre Hintergrund war es auch, weshalb sie nach fünf Jahren ihrer Beziehung noch nicht geheiratet hatten; die Ehen in ihrer Familie waren bis auf die ihres chilenischen Onkels alle nicht besonders »erfolgreich« gewesen.
    »Ich setze doch meine große Liebe nicht durch eine Ehe aufs Spiel«, pflegte sie zu sagen.
    Langsam, noch mit dem Blick auf den Bildschirm, das Vier-Tages-Programm vom Heckler-Verlag für die Baden-Baden Wine Challenge war eingetroffen, stand Henry auf,streifte Schuhe und Socken ab und ging barfuß in die Küche, um sich ein Bier zu holen. Die Küche war der wohnlichste Raum seines Großstadtturms, wie er die Wohnung nannte. An der Küche hatte er nicht gespart, und auch hier hing wie nebenan ein Druck Joan Mirós an

Weitere Kostenlose Bücher