Sein letzter Burgunder
der Wand. Ein Freund von Daniel hatte die Küchenmöbel gebaut, das Edelholz hatte er aus einer Konkursmasse billig erstanden, fast geschenkt. Zentrales Möbel war der große Tisch, an dem mühelos acht Personen Platz fanden und wo Henry und seine Freunde bei einem mehrstündigen Menü bis in den Morgen dafür sorgten, dass in den Kellern der guten Bodegas Platz für den nächsten Jahrgang geschaffen wurde.
Der Flaschenöffner lag am üblichen Platz. Nach den andalusischen Mountain Wines der letzten Tage war allein die Aussicht auf ein herbes deutsches Bier schon Genuss an sich, und Henry setzte die Flasche an die Lippen. Er blickte erneut in den Kühlschrank und entschied sich dagegen, jetzt noch einkaufen zu gehen. Er könnte morgen im Café an der Ecke frühstücken und sich erst nach Sonnenuntergang mit Daniel am Strand treffen und irgendwo essen gehen. Die nächtlichen Treffen waren dessen Sonnenlichtallergie geschuldet, dafür sah er sogar nachts jede in den schwarzen Asphalt eingetretene Kupfermünze, was ihm den Namen
el visor nocturno
eingebracht hatte, das Nachtsichtgerät. Später würden sie sich an den nächtlichen Strand hocken, und ihre Gespräche endeten im Cafè de l’Òpera auf den Ramblas. Die Aussicht auf ein offenes Wort, nach Tagen verbalen Versteckspiels auf der Reise, ohne jeden Grund zu falscher oder richtiger Rücksichtnahme, hob Henrys Stimmung gewaltig.
Er hatte Daniel viel zu verdanken. Er hatte ihm das Einleben in Barcelona leicht gemacht, seine Frau hatte für ihn die erste Wohnung gefunden, und ihre Tochter Pilar hatte Freude daran, ihm Catalán beizubringen, auch weil sie wusste, wie sehr sie ihn damit ärgern konnte. Henry war der Auffassung, in Spanien zu leben, wo man Spanisch sprach.Pilar hingegen lebte in Katalonien, da sprach man Katalanisch. Die Basken leben im Baskenland, die Mallorquiner auf Mallorca. Was kam als Nächstes? Andalusisch? Dann Galizisch – bis sich in Europa niemand mehr würde verständigen können.
»Dafür sorgen schon die Finanzkapitalisten«, pflegte die Fünfzehnjährige zu sagen und schwirrte auf ihrem Roller ab zur nächsten Demonstration für die Zukunft der Jugend.
»Wenn nichts mehr bleibt, dann wenigstens der Nationalstolz«, so Daniel, »den kann man sich auch in den Landesfarben ins Gesicht schmieren.« Hatte er sich, als sie sich in La Rioja kennengelernt hatten, noch als Katalane begriffen, war er hier wieder zum Spanier geworden.
Henry suchte sich aus den restlichen Vorräten das zusammen, woraus sich ein Salat machen ließ, das Wichtigste war die Soße. Ein neun Jahre alter Balsamico und ein würziges Olivenöl gehörten zur Grundausstattung seiner Küche. Das Stangenbrot hatte er sich aus dem Minimercado von der Ecke gegenüber der Bar mitgebracht.
Nach dem Essen rief er Salgado in Logroño an. Erstaunlicherweise hatte Isabella ihn ausführlich über die Drohbriefe ins Bild gesetzt. Sogar die Kopien hatte sie ihm zugefaxt.
Der Capitán war überzeugt, dass es sich nicht um einen Scherz handelte. »Ich werde mich informieren und morgen entscheiden, wie wir weiter verfahren. Die Briefe habe ich weitergeleitet und Isabella geraten, sich umsichtig zu bewegen. Sie hat es versprochen.«
»Dann nimmst du die Angelegenheit auch ernst?«, fragte Henry.
»Es gibt eine Menge Idioten, die derartigen Unsinn verzapfen, es gibt Trittbrettfahrer, die sich bei Aktionen wie der Exhumierung als Sachwalter der ewigen Gerechtigkeit aufspielen. Von denen geht normalerweise keine Gefahr aus. Auch kommen viele Rechte aus den Löchern, gerade jetzt, wo die Sozialisten abgewirtschaftet haben.«
»Dann können jetzt die Konservativen wieder abwirtschaften«, warf Henry ein.
»Nur in diesem Fall …« Salgado zögerte, die Suche nach angemessenen Worten war förmlich zu hören, »in diesem Fall halte ich es nicht für überzogen, gewisse Maßnahmen zu ergreifen. Es ist ein Gefühl, es betrifft die Wortwahl, die mich stutzig macht.«
»Könnte ihr Bruder … ich meine, als Rache …«
»Ich werde mich kundig machen.«
»Könnte eine politische Organisation dahinterstecken, die was dagegen hat, dass Francos Leichen ausgegraben und die Täter benannt werden?«
Es dauerte einen Moment, bis Salgado antwortete. »Offi ziell niemals, oder eher wohl kaum, aber in allen Organisationen gibt es nützliche Idioten, Leute, die das umsetzen, was ihre Führer niemals laut fordern würden. Ich frage jemanden vom CNI …«
»Bitte nicht den
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