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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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erst gestern über die Ramblas gebummelt.
    Heute sah er zum ersten Mal in ihrem nach hinten gebundenem dunklen Haar graue Strähnen, kleine Fältchen umspielten die Augen.
    »Ich bin heilfroh, dass ich nicht nach Baden-Baden eingeladen bin.« Henry meinte, dass ihre raue Stimme kratziger geworden war. Hätte sie damals in der Frankfurter Bluesband weiter mitgesungen, hätte sie mit ihrer schwarzen Jazz-Stimme sicher mehr Erfolg gehabt. Aber sie hatte unbedingt Journalistin werden wollen.
    »In Baden-Baden wirst du Winter begegnen. Es wird bestimmt ein erfreuliches Wiedersehen. Er freut sich auf dich, ich traf ihn neulich in der City. Vielleicht werdet ihr ja beide demselben Verkosterteam zugeteilt. Das wäre eine große Freude für euch beide.«
    »Dazu wird es nicht kommen«, sagte Henry und lächelte. »Winter spricht katastrophal Englisch, und ich habe inzwischen vier Sprachen drauf, also komme ich an einen spanischenTisch oder einen internationalen, falls Profis die Teams zusammenstellen. Man muss sich schließlich verständigen. Wieso bist du nicht eingeladen?«
    Dorothea winkte gelangweilt ab. »Ich war bei den Hamburgern, und wer mit denen arbeitet, hat bei Heckler versch… der hat bei ihm nichts mehr zu suchen. Nach dem, was du mir von eurer Reise nach Andalusien und von diesem Koch erzählt hast, werden sie dich auch nicht wieder einladen. Dich nachträglich auszuladen«, sie lächelte hintergründig, »das ginge natürlich unter dem Vorwand, dass sie nicht genug Weine zum Probieren haben, aber die Blöße werden sie sich nie geben. Damit hätten ihnen die Hamburger tatsächlich den Rang abgelaufen. Ich wüsste gern, ob Heckler ein Memorandum zirkulieren lässt, wer in Gnade und wer in Ungnade steht. Die Branche ist klein. Heckler ist ein Choleriker, der geht auf jeden los. Wer nicht für ihn ist, der ist gegen ihn. Und auch wenn dein Newsletter nur klein ist, er fällt auf, du bist eine gute Quelle, du bist schneller als alle anderen, du bist ehrlich, du bist nicht käuflich, und das ist gefährlich.«
    »Woher weißt du das mit dem Choleriker?«
    »Ich habe ein Einstellungsgespräch bei ihm hinter mir. Heckler wollte mich haben, aber ich habe abgesagt, weil Koch dagegen war. Und das tut man nicht, man sagt einem Heckler nicht ab. Sie haben mir dann die Rechnung für die Reisekosten geschickt, die sie vorher übernommen hatten.«
    »Hast du etwa bezahlt?« Für Henry war es der Gipfel der Geschmacklosigkeit.
    »Anstandslos. Mit den Hamburgern habe ich mich gut vertragen, von daher weiß ich, wie die Dinge liegen.«
    »Das hättest du mir vorher sagen sollen!« Henry war zum zweiten Mal an diesem Tag verstimmt. »Wieso lässt du mich ins Messer laufen?«
    »Unsinn. Da ist kein blankes Messer, für dich nicht, aberpass auf. Außerdem wärest du dann nicht gekommen.« Doro freute sich wirklich, ihn zu sehen. »Du hättest damals das Angebot annehmen und Chefredakteur werden sollen, wir waren ein gutes Team.«
    »Ich mag ein guter Schreiber sein, ich kenne mich mit Wein aus, aber ich kann nicht antichambrieren oder Leute führen und sie gegeneinander ausspielen, und beim Schielen auf Anzeigenkunden wird man blind. Aber ganz was anderes.« Henry war mittlerweile überzeugt, dass Dorothea etwas mit sich herumtrug, dass sie unglücklich war. »Was ist los mit dir? Irgendwas geht nicht, wie es gehen sollte. Arbeit oder Leben?«
    »Was soll das?« Ihre Reaktion war ungewohnt scharf. »Das ist doch nicht zu trennen, bei uns jedenfalls nicht.«
    »Lenk nicht ab, Doro, ich kenne dich lange genug. Red dich nicht raus. Was ist nicht in Ordnung?«
    Mit einem Mal wirkte sie unnahbar und kühl, sie rückte von ihm ab. »Woher nimmst du dir das Recht, hier aufzuschlagen und den Doktor Freud zu spielen? Das könnte ich ja auch tun   …«
    »Bitte, ich habe nichts dagegen, ich kenne meine offenen Fragen. Was willst du wissen?«
    »Du bist so widerlich direkt manchmal und gibst einem keine Chance auszuweichen.«
    Sie schwieg. Henry sah sie an, er würde nicht weiter in sie dringen, obwohl es ernst sein musste, wenn sie derartig harsch reagierte. Er konnte hier sitzen und schweigen, und er griff nach dem Tee und betrachtete sie über die Tasse hinweg. Es war ihr anzusehen, wie sie sich wand.
    »Vor zwei Wochen   …« Sie brach ab und begann erneut. »Vor zwei Wochen hat   … hat   … du kennst ihn nicht, ich habe nichts von ihm erzählt, weil er   … er ist verheiratet   …«
    »Ach du Scheiße. Müsst ihr Frauen da

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