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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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alle durch? Und er ist natürlich zu seiner Frau zurück, als du Druck gemacht hast. War es so?«
    »Ja und nein, nicht ganz; das ist so verdammt kitschig, wie auf der Seite für Lebenshilfe in Frau und Bild.«
    »Er ist natürlich jünger als du?«
    »Nein, älter, er hat sich von mir und von seiner Frau getrennt, weil er eine andere hat, eine dritte, die ist jünger. Er will Kinder haben, hat er gesagt, und das geht mit mir nicht, ich sei ihm zu alt, ich will es auch gar nicht, und heiraten wollte ich auch nicht   – ach   – wieso erzähle ich dir das alles?« Dorothea vergrub das Gesicht in den Händen, und Henry war sich nicht sicher, ob sie die Tränen verbarg. »Wir haben uns so gut verstanden   …«
    »Habt ihr nicht«, sagte Henry und tat ungerührt. »Sonst hätte er dich nicht verlassen, oder du hättest viel früher gemerkt, woran du bist.«
    »Ich hätte nie Zeit, hat er gemeint   …«
    »Hast du auch nicht   …«
    »…   ich sei mit meinem Beruf verheiratet   …«
    »…   bist du ja auch.«
    »Verdiene mal dein Geld als Selbstständige.«
    »Das tue ich, meine Liebe, und was macht er, beruflich, meine ich?«
    »Er ist Abgeordneter und im Ausschuss für Medien und   …«
    »Das glaube ich nicht. Du, bei deiner Einstellung lässt dich mit einem Politiker ein?« Henry war perplex. »Dann wunderst du dich über seine Sprüche? Hast du erwartet, dass so jemand die Wahrheit sagt?«
    »Ich wollte keine Anmache von dir, schon gar keine Kritik. Ich wollte Verständnis, aber das kann man bei dir anscheinend nicht mehr erwarten, wo es dir ja so gut geht.«
    »Ja, Doro, ich bin zufrieden. Aber nur, weil ich gewisse Dinge sehr behutsam angehe, weil ich drüber nachdenke, weil ich mich immer wieder frage, was ich wirklich will. In meinem Alter sind die Chancen für Korrekturen nicht mehr so riesig, und man glaubt, seine Grenzen zu kennen. Duhast noch zehn Jahre mehr, außerdem leben Frauen statistisch gesehen länger.«
    »Faktisch gesehen auch!«
    Sie ist auf dem Wege der Besserung, dachte Henry, wenn sie wieder Sprüche klopft. Er lächelte, er wusste, was sie auf andere Gedanken brachte. »Wir sollten arbeiten, Doro, ich kann dich nicht trösten. Ich kann dir anbieten, wenn du einen Tapetenwechsel brauchst, dass du zu mir kommst, oder zu Peñasco, du kannst im Firmenapartment gratis wohnen, schreib eine schöne Reportage über eine aufstrebende Kooperative ehemaliger Weinbauern, lass dir die Sonne auf den Kopf scheinen, wir lassen uns durchs nächtliche Barcelona treiben, und du suchst dir einen netten Spanier.«
    »So einen Macho, wie du einer geworden bist? Der Umgang mit den Männern dort bekommt dir schlecht.«
    »Schon besser, jetzt gefällst du mir wieder. Sei froh, dass du den Kerl los bist. Solche Leute täuschen und enttäuschen nur. Der Dumme ist man selbst. Bei seinem Beruf hat er sofort begriffen, welche Saiten er bei dir anschlagen muss.«
    »Jetzt wird es unanständig. Wir arbeiten wirklich besser. Genug gequatscht, und nachher wirst du mich zum Essen einladen, richtig teuer. Als Kronprinz von Peñasco kannst du dir das sicher leisten.«
    »Mir geht es wie Prinz Philip von England, meine liebe Doro, auch der wird niemals König.«
    Dorothea breitete auf dem Tisch ihres Wohnzimmers eine Karte vom Kaiserstuhl aus und legte eine Liste von Winzern dazu, nach Orten sortiert. Henry hatte den Kaiserstuhl zwar irgendwann besucht, zwei oder drei Namen waren ihm bekannt, er war dort angemeldet, andere Namen kamen ihm bekannt vor, aber er verband nichts damit, weder Personen noch Gesichter oder Weingüter und schon gar keine Weine. Da einige Termine feststanden, wie die bei Huber in Malterdingen gegenüber vom Kaiserstuhl und Heger in Ihringen, erübrigte sich die Frage, ob er mit oder gegen den Uhrzeigersinnrund um das vulkanische Mittelgebirge im Oberrheinischen Tiefland fahren würde. Es würde eine Tour kreuz und quer werden, um die Region zu erkunden. Das Unvorhergesehene war es, das Henry liebte. Aus diesem Grund verzichtete er auf Navigationsgeräte, denen man wie ein Roboter gehorchte und nicht sah, was rechts und links geschah.
    »Wie ich dich kenne, wirst du dir erst einmal einen Überblick verschaffen«, sagte Dorothea, »am besten beginnst du in Riegel und fährst außen herum weiter über Bahlingen und Bötzingen nach Ihringen. An der Südspitze, gegenüber von Breisach, findest du die besten Lagen. Da tritt das Vulkangestein offen zutage, am Winklerberg und Schlossberg. Ob da

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