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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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in der Toskana ein Weingut, und wenn der Gambero Rosso nicht spinnt, dann sind die Tre Bicchiere, die Drei Gläser, die Italiens wichtigster Weinführer vergibt, für ihren Chianti Classico zu Recht vergeben.« Der Fotograf schob Henry eine Visitenkarte zu.
    Frank Gatow, Fotograf. Dann folgte eine Adresse in der Provinz Siena in der Gemeinde Brolio.
    »Da haben Sie sich ja einen wunderschönen Platz ausgesucht«, bemerkte Henry anerkennend und dachte an seine schreckliche Wohnung in Barcelona. »Ihre Frau ist Italienerin?«
    Frank Gatow nickte. »Wenn man schon miserabel bezahlt wird, muss wenigstens das Umfeld stimmen. Ach   – das meinen Sie?« Der Fotograf war Henrys Blick zum Wagen gefolgt. Er lachte. »Ja, so reagieren alle. Das Auto gehört ihr, der Firmenwagen sozusagen. Sie kennen die Schnorrer, die immer nur Zigaretten der anderen rauchen, weil sie es sich angeblich abgewöhnen wollten? So ist es bei mir mit dem Autofahren. Ich will es mir abgewöhnen, deshalb fahre ich am liebsten fremde Autos. Aber das mit dem schönen Wohnen stimmt.«
    »Winzer sind wirklich um die traumhaften Landschaften zu beneiden, um die wunderschönen Höfe, wie diesen hier   …«
    »Bei genauem Hinsehen relativieren die Kosten die Freude«, entgegnete der Fotograf. »Was glauben Sie, wie viel Geld der Erhalt eines Hauses aus dem sechzehnten Jahrhundert verschlingt, allein das Dach. Aber ich rede schon wieder wie die Deutschen. Bei euch geht’s immer darum, was alles kostet.Hier müssen sogar die Kinder billig sein und das Toilettenpapier. Wo bleibt der Genuss? In Bezug aufs Wohnen haben Sie vollkommen recht. Die Abende mit meiner Tochter und meiner Frau auf der Loggia inmitten der Reben sind wundervoll, aber leider äußerst selten. Meistens arbeitet sie bis spät abends   – und jeder glaubt, wir würden auf der Loggia leben   …«
    Henry kannte das. Isabella hatte nicht einmal an den Wochenenden Zeit. Er wandte sich um und betrachtete das Fachwerkgebäude neben dem Tor zur Straße. »Das mit den Deutschen sagen Sie, als gehörten Sie nicht mehr dazu. Ich empfinde es ähnlich. Haben wir bereits den berüchtigten Migrationshintergrund? Ich lebe in Spanien. Und Sie   – Sie sind zu Besuch hier?«
    »In gewisser Weise«, antwortete der Fotograf. »Einiges verbindet, anderes trennt mich fundamental, das geht mir in Italien ähnlich. In jedem Land muss man sich anpassen und wird angepasst, man muss sich integrieren und wird integriert. Man kann es anderen leicht und schwer machen, aber erst einmal liegt die Leistung bei mir. Soll ich bei uns im Dorf erwarten, dass die Leute mich verstehen, wenn ich mich nicht verständlich mache?«
    »Die Dialektik der Integration?«
    »Wenn Sie es so nennen wollen. Wir haben die Insel Lampedusa, und ihr habt eine Meerenge von Gibraltar. Damit gibt es Punkte, die uns verbinden, neuralgische Punkte.« Er lächelte Henry auffordernd zu, auch ihm etwas aus der Flasche einzugießen, die im Flaschenkühler steckte.
    Ohne zu wissen, was es war, probierte Henry. Den Weißburgunder schmeckte er sofort heraus, aber der Wein war anders als die bisher probierten. Er war leicht und harmonisch, die duftigen Aromen hatten die richtige Intensität, am deutlichsten waren Zitrusfrüchte. Es war ein Großes Gewächs, die Spitze der Qualitätspyramide, ein wunderbarer Wein. Jetzt betrachtete Henry die nächste Flasche. »Kirchberg2004« stand auf dem Etikett. Er probierte   – und versuchte, seinen Eindruck nicht von seinem Gesicht ablesen zu lassen, aber es gelang ihm nicht. Orange, Mandarine, eine Spur nur war vom Ausbau im Barrique geblieben, eine Spur, gerade richtig. Das war wieder einer jener Weine, für den die Reise sich lohnte.
    »Wer hat den deutschen Winzern beigebracht, so gute Sachen zu machen?«, fragte Frank Gatow und stellte das Glas zurück, dabei bemerkte Henry, dass er die Hand sehr ungelenk bewegte. »Hingabe ist eigentlich keine typisch deutsche Eigenschaft, und allein mit der hier so beliebten Professionalität schafft man das nicht.«
    »Grandios, nicht wahr? Finde ich auch. Ja, in diesem Land haben sich einige bewegt, seit Fritz und Herrmann out sind und Adolf verboten ist.« Der Fotograf steckte die Nase tief ins Glas und hob den Kopf mit hochgezogenen Brauen, die Freude am Duft war ihm anzusehen. »So etwas geht bei uns nicht.«
    »Dafür gibt’s bei euch andere schöne Sachen   …«
    »Auch vom Fach?«, fragte der Fotograf, der ihn nicht aus den Augen ließ.
    »Das kann man so

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