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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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»der Moderne gegenüber aufgeschlossen und der Tradition verhaftet« sei.
    Die Begehung der Lagen Rote Halde und Limburg ließ Henry ausfallen. Bei dieser Hitze empfand er die unvermeidliche Kellerbesichtigung geradezu als wohltuend. War es seine dreihundertste? Er hatte zu zählen aufgehört. Es war unhöflich, den Rundgang abzulehnen, aber es machte auch wenig Freude, denn das wirkliche Geschehen spielte sich im Inneren der Tanks und in der Zeit ab.
    Der Sasbacher Kellermeister war dabei, Weine zu filtern, die einige Rohrlängen weiter vorn auf Flaschen gezogen wurden. Bis auf das Klirren von Glas und das Rattern der Transportbänder, das Zischen von Pressluft und ab und an ein lautes, unverständliches Wort herrschte in allen Kellern Stille. Die Anlagen zum Abbeeren der Trauben, zum Transport, zur Kühlung und auch die Pressen standen still. Was von den hundertundsieben Hektar kommen würde, ließ bis September auf sich warten. Dieses Jahr würde anders werden, die extreme Trockenheit im Frühjahr verkürzte die Reifeperiode   – wenn das Wetter nicht weiter verrückt spielte.
    Wie man mit den Rebstöcken und den Trauben umging, ob die Schultern abgeschnitten, ob die Trauben geteilt würden, entschieden die Genossen bei gemeinsamen Weinbergsbegehungen. Da bewegten sich nicht alle dreihundertdreißig Genossen in einer Prozession hinter einem Quality Manager durch die Rebzeilen, es folgten ihm lediglich vierzig bis fünfzig Personen, die achtundneunzig Prozent der Rebfläche repräsentierten. Wie anderswo wurde nicht nach gelieferter Menge bezahlt, sondern nach Hektar, Mostgewicht und Qualität. Es musste einen Anreiz geben, gute statt mit Wasser vollgesogene Trauben ohne Extrakt zu liefern. Der Kellermeister hatte die nicht für alle einsichtige Aufgabe, das den Genossen klarzumachen. Eine Genossenschaft war nur erfolgreich, wenn sie die Winzer in die Pflicht nahm. Daher verstand sich die Genossenschaft als Weingut mit vielen Besitzern.
    Es war erstaunlich, was sie abgeliefert hatten. Henrys Meinung über Genossenschaften stieg im Laufe der Probe gewaltig. Mit dem Weißburgunder zu beginnen sollte zur Routine werden, auf diese Weise bekam er ein Gefühl für die Rebsorten und konnte Vergleiche anstellen.
    Ein trockener Weißburgunder Kabinett kam zuerst ins Glas. Die Säure war Henry zu spitz für die vom Weinbauverband verliehene Goldmedaille, ansonsten gab es schöne Aromen. Die Trauben stammten von der Lage Limburg, die in Sasbach den weißen Rebsorten vorbehalten war. Hier lag eine dicke Lössschicht auf dem Vulkangestein, eine fruchtbare Schicht, ein Boden, der Wärme aufnahm und Wasser speicherte. Die Überraschung war der halbtrockene Weißburgunder mit einem breiten Aromenspektrum und hoher Restsüße, dem nicht vergorenen Zucker. Solche Weine waren nicht Henrys Fall, doch dieser hatte seine Goldmedaille durchaus verdient. Unter den Grauburgundern war jeder ohne Makel. Hier kam zum ausgeprägten Duft noch Dichte und Stoffigkeit hinzu, es waren Weine, die man schmecken konnte.
    Von allen Weißen gefiel ihm der Blanc de Noirs am besten, ein aus roten Burgundertrauben gekelterter Weißwein. Er wurde nach der Lese behandelt wie rote Champagnertrauben, hatte keinen Kontakt mit den Farbpigmenten in der Beerenhaut und nahm das darin enthaltene Tannin nicht auf.
    Als der Geschäftsführer die nächsten Weine holte, dachte Henry darüber nach, was der Mann zuvor gesagt hatte. Er hielt es für eine Unart, dass die Kunden immer nach dem neuesten Jahrgang fragten   – als wenn der alte schlecht gewesen wäre. Weißwein musste nicht sauer und bissig sein, auch er brauchte Zeit, wenn er gut war   – und ein Weißburgunder sollte nie früher als ein Jahr nach der Lese getrunken werden; erst mit zunehmendem Alter zeigte er seine Aromen und rundete sich ab. Und ein Weißwein, der nach drei Jahren nicht mehr gut war, hatte auch nach dem ersten nicht viel getaugt.
    Die Spätburgunder stammten von der Roten Halde und ihrem Vulkanboden. Mochte es auch der einfachste und günstigste Wein im Sortiment sein, der schlechteste war es nicht, es gab keinen schlechtesten. Er schmeckte nach Kirsche, nach dunklen Beeren, er hatte das Typische des Pinot Noir, er war weich, von einer schönen durchscheinenden Farbe und mildem Tannin. Dem folgte der Orchidea mit der Kaiserstühler Orchidee auf dem Etikett. Er wies alle Eigenschaften eines guten Rotweins auf. Für diese Weinlinie wurden ausschließlich Trauben besonders alter

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