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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Sie bückte sich und nahm einige Flaschen aus Henrys Aktentasche, die Proben von Lagar für die Weinhändler, und freute sich, dass er den Wein mitgebracht hatte, er hatte die Challenge gerettet, ohne seine Flaschen wäre der Wettbewerb ins Wasser gefallen. Marion wollte sich bei Verlagschef Peñasco für eine Festanstellung verwenden. Isabella saß wie Alice im Wunderland am Beckenrand des Hotelpools, schaute in die Chlorbleichlauge und ließ die Beine baumeln. Sie griff nach seiner Hand und schüttelte sie heftig, bis Kochs Fahrradklingel in seiner Hand vibrierte, er meinte, Henry könne auf dem Gepäckträger mitfahren, sie seien schließlich Freunde   …
    Es war das Telefon, das in Henrys Hand klingelte. Benommen richtete er sich auf, alles, was er sich nicht wünschte, hatte er geträumt. Schlaftrunken taumelte er unter die Dusche. Erst als das Wasser ihn weckte, erinnerte er sich, dass er den Anruf gar nicht entgegengenommen hatte.
    Noch dabei, sich abzutrocknen, ging er ins Zimmer undschaute nach der Nummer   – er kannte sie nicht und würde jetzt auch niemanden zurückrufen, höchstens Isabella und sie auf später vertrösten. Er musste sich beeilen, wenn er einigermaßen in Ruhe essen und rechtzeitig beim »Festakt« erscheinen wollte. Er schüttelte das negative Gefühl ab, das er aus dem Traum mitgebracht hatte und das ihm die Laune verdarb. Suchte ihn diese Art von Traum nicht immer dann heim, wenn zu viel auf ihn einstürzte?
    Unschlüssig starrte er in den Kleiderschrank und raffte sich schließlich auf, den mittelgrauen Anzug anzuziehen, das Grün der Seidenkrawatte, darauf ein Muster winziger Trauben über dem Schriftzug »Rioja«, passte gut zur Eröff nung der Baden-Baden Wine Challenge. Alan Amber würde reden und nach ihm andere wichtige Gäste. Später wollte er mit Frank Gatow und Antonia Vanzetti ins Spielcasino gehen. Er war gespannt, sie liebte das Spiel   – oder nur das Pferderennen? Ihn interessierten die Pferde weniger als die Menge, und es war herrlich anzusehen, was Damen sich auf den Kopf setzten. Aber die Rennbahn Iffezheim war Provinz im Vergleich zum Grand National in Aintree bei Liverpool oder dem Hipódromo de la Zarzuela in Madrid. Amber würde die Rennbahn kennen, davon war Henry überzeugt.
    Noch vom Traum und seinen Bildern gefangen ging Henry zum Abendessen. Wenn er tagsüber schlief, kam er nur schwerlich wieder in Schwung und hatte schlechte Laune. Wie eine Welle rollte der Schwall von Worten aus dem Speisesaal heran, schlug über ihm zusammen, und er hatte Mühe, sich zu orientieren. Büfetts waren ihm zuwider, wo der Hintermann drängelte, dem beim Anblick vom gegrilltem Zuchtlachs das Wasser im Mund zusammenlief, und ihn jetzt eine Dame von rechts anrempelte, da sie unbedingt einen gefüllten Champignon nachlegen musste. Das zwang ihn zu einem Schritt rückwärts, dabei trat er dem Hintermann auf den Fuß, der sich die Hose mit Remoulade bekleckerte und ihn böse anblaffte. »Die Reinigung zahlen Sie!«
    Henry gab ihm seine Karte. Am liebsten wäre er wieder gegangen, aber hungrig den Saal zu verlassen, war auch keine Lösung, er wusste nicht, wie lange der offizielle Teil dauern würde, bevor er wieder etwas zu essen bekäme.
    »Wie schön, dich zu sehen«, hörte Henry plötzlich eine Frauenstimme hinter sich sagen. War er gemeint? Die Stimme kam ihm bekannt vor. Da stand, er hatte es befürchtet, Marion Dörner und strahlte ihn an. Und er musste so zurückstrahlen, dass sie es nicht falsch verstand und sich auch nicht durch seine Ablehnung brüskiert fühlte. Sie hatte ihm nichts getan, sie war eine angenehme Reisegefährtin gewesen, auch ein schöner Anblick, auch jetzt in ihrem edlen roten Kostüm, ein gelungener Kontrast zum kastanienbraunen Haar. Heute stellte sie die elegante Dame dar, weniger das fesche Mädchen, das sie in Andalusien vorgegeben hatte zu sein. So ein Kostüm war teuer, sie musste gut verdienen.
    »Setzt du dich zu uns an den Redaktionstisch?«, fragte sie verschmitzt, sicher mit dem Hintergedanken an seine Spannungen mit Koch. »Oder willst du lieber dort drüben essen?« Sie wies auf einen Tisch für zwei Personen, der soeben abgeräumt wurde. »Da wären wir nach langer Zeit endlich wieder ungestört.«
    Der Gedanke, jetzt schon mit Kollegen zu speisen, die wahrscheinlich alle irgendeine Funktion wahrnahmen, ließ ihn den Zweiertisch vorziehen, obwohl die Intimität mit Marion und ihr Nachsatz ihn abschreckte. Ihm fiel sofort ein

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