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Sein letzter Burgunder

Sein letzter Burgunder

Titel: Sein letzter Burgunder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Jeder hatte seine eigene Show, dann und wann, auch wenn sie vielleicht nicht so bedeutend war.
    Als Heckler auf die Bühne ging und zum Mikrofon trat, sah Henry, dass man ihm ein Bänkchen hingestellt hatte, damit er das Mikrofon zu sich heranziehen konnte, statt sich hinaufzurecken. Der Verlagschef wartete, bis sich die gesamte Aufmerksamkeit auf ihn gerichtet hatte, einige sich die Kopfhörer für die simultane Übersetzung aufgesetzt hatten und Stille eingetreten war. Erst dann begann er seine Begrüßungsansprache.
    »
Welcome, Mister Amber, my hearty welcome to everybody, Ladies and Gentlemen

    Er freue sich, unter all den ausgewiesenen Juroren den »Primus inter pares« begrüßen zu dürfen, den Ersten unter den Gleichen, den Bekanntesten unter all den hier versammelten Berühmtheiten. Nachdem er sich darüber ausgelassen hatte, wie schwer es gewesen sei, Amber für die Challenge zu gewinnen, sprach er über die Problematik der Bewertung von Weinen, die niemand so gut kenne wie sein britischer Freund.
    »Zu viel Vaseline, würde mein Mann sagen«, raunte Frau Stöckli. »Der arme Amber glänzt ja schon.«
    Henry kannte die Metapher mit der Vaseline aus Portugal, woher kannte sie Frau Stöckli?
    »Mein Mann ist Portugiese, der benutzt diesen Vergleich gern. Und ich finde, dass er passt.«
    So ähnlich wie er und Frau Stöckli empfanden möglicherweise viele im Auditorium. Ein wenig Bescheidenheit hätte Heckler gut angestanden. Das aus dem Unmut entstehende Gemurmel versuchte Heckler mit herrischem Blick und seinem Schweigen zu stoppen. Er schwenkte sofort um und bezog das »hier versammelte hochkarätige Publikum, das in Europa seinesgleichen sucht« in seine Laudatio ein und versuchte, die Anwesenden auf Ambers Ebene zu heben.
    Dann sprach er über den hohen Grad an Professionalität des morgen beginnenden Wettbewerbs, den Mister Amber durch seine Anwesenheit natürlich noch unterstreiche. Heute würden allerorten die Wettbewerbe aus dem Boden sprießen, bei denen ganz offensichtlich die kommerziellen Interessen im Vordergrund stünden, deren Seriosität ernstlich angezweifelt werden musste. Damit waren sicher die Hamburger Konkurrenten gemeint, denn Henry erinnerte sich, wie noch zu seiner Zeit in Mainz Verlagschef Heckler gegen den sich neu etablierenden Wettbewerb in der Hansestadt polemisiert hatte, die ja keinerlei Verbindung zum Weinbau habe   – und jedes mögliche juristische Mittel dagegen schöpfte er aus. Aber die OIV hatte den zweiten Wettbewerb zugelassen und auch die Patronage übernommen. Das musste für ihn ein schwerer Schlag gewesen sein. Und wie man hörte, dauerte die Auseinandersetzung an.
    Unter dem verhaltenen Beifall des Publikums betrat Amber die Bühne, Heckler umarmte ihn, es folgte das gegenseitige Schulterklopfen, dann entfernte sich Heckler bewusst weit vom Rednerpult, denn daneben hätte er klein gewirkt.
    Amber griff zum Mikrofon. »Es ist wunderbar, hier zu sein«, war sein erster Satz. »Es ist ein großartiges Gefühl, sich unter Hunderten von Kollegen aus der ganzen Welt zu bewegen«,war der zweite, »und es ist eine fantastische Nacht in Baden-Baden, wo viel geschehen kann, deshalb werde ich nicht lange reden.« So endete der dritte.
    »Soll er doch reden, wenn er was zu sagen hat«, murmelte Frau Stöckli in ihrer schlichten Art, die Henry schmunzeln ließ. Er war der gleichen Ansicht. Mit seinem klassischen Oxford-Englisch nahm Amber Henry wieder für sich ein. Es war dem durchgekauten Amerikanisch, das sich wie die Reblausplage ausgebreitet hatte, absolut entgegengesetzt. Es war der Ton der BBC, ein Englisch, das im Stehen oder bei einem Tee vor dem Kamin gesprochen wurde und nicht hingekauert im Schnellrestaurant, mit einer Plastikgabel im Pappkarton nach Essen stochernd.
    Amber begann mit einem Rückblick auf die Zeit, als er in einem Londoner Club als Student gearbeitet und dort die besten Weine aus Bordeaux und die schönsten Portweine kennengelernt hatte, Tawnys von fünfzig oder mehr Jahren, die ein Vermögen kosteten. Die Düfte hatten ihn fasziniert, die unendliche Vielfalt eines Getränks, das aus nichts weiter als aus Weintrauben entstand. Da sei der Barchef auf seinen außergewöhnlichen Geruchssinn aufmerksam geworden und hatte in bald als Sommelier eingesetzt. Das Thema Wein hatte ihn danach nicht mehr losgelassen.
    Davon stand nichts in Dorotheas Dossier, soweit Henry sich erinnerte.
    »Ich wollte lernen, wissen, erfahren   – genießen natürlich

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