Sein letzter Fall - Fallet G
nach Hause gekommen war und seine Frau nicht hatte finden können, sie dann erst im besagten Swimmingpool entdeckte. Sowohl einer der örtlichen Ärzte, Doktor Santander, wie auch der Gerichtsmediziner Meusse vom Gerichtsmedizinischen Institut in Maardam hatten die Tote untersucht, und ihre Ergebnisse stimmten vollkommen überein: Barbara Hennan war in Folge umfassender Verletzungen an Kopf, Rückgrat, Nacken und Rumpf gestorben, und es gab nichts, was gegen die Annahme sprach, dass sie sich sämtliche Blessuren durch einen Fall in den momentan trockenen Pool zugezogen hatte. Eventuell war sie gesprungen. Eventuell war sie gestoßen worden. Die Obduktion war noch nicht abgeschlossen, ergänzende Informationen waren also noch zu erwarten.
Der Zeitpunkt des Todes sollte zwischen 21.00 und 23.00 Uhr gelegen haben. Laut eigenen Aussagen hatte Hennan sich zu dieser Zeit im Restaurant Colombine in Linden befunden, er hatte seine Ehefrau das letzte Mal lebend um acht Uhr morgens gesehen, als sie das Haus verließ, um mit dem Auto nach Aarlach zu fahren. Es war nicht bekannt, wann sie von dieser Fahrt zurückkam, und auch nicht, was dazu geführt hatte, dass sie im Schwimmbecken landete. Alle Informationen, die man in diesem Fall bis jetzt bekommen hatte, rührten von besagtem Jaan G. Hennan her.
In Meusses kurz gefassten Angaben wurde nur erwähnt, dass sämtliche Brüche und Verletzungen mit der Annahme übereinstimmten, dass die tote Frau ins Becken gefallen (alternativ: gesprungen; alternativ: ihr dabei geholfen worden) war sowie dass die Alkoholkonzentration in ihrem Blut sich auf 1,74 Promille bemaß.
»Besoffen«, brummte der Kommissar, als er zu Ende gelesen hatte. »Eine besoffene Frau, die in ein leeres Becken purzelt. Kannst du mir vielleicht erzählen, warum die Kriminalabteilung aus Maardam in so einem Fall ausrücken muss?«
»Was ist mit diesem Hennan?«, versuchte Münster es noch einmal. »Du hast gesagt, du würdest es nicht glauben können, oder so ähnlich…«
Van Veeteren faltete die Bögen zusammen und schob sie in die Aktentasche.
»G.«, sagte er. »So haben wir ihn immer nur genannt.«
»G.?«
»Ja. Ich bin mit ihm zur Schule gegangen. Sechs Jahre lang in eine Klasse.«
»Ach? Jaan G. Hennan. Warum…äh… und warum hat er sozusagen nur den einen Buchstaben abgekriegt?«
»Weil es zwei gab«, sagte Van Veeteren, zog an einem Griff und ließ die Rückenlehne so weit zurückgleiten, dass er auf dem Beifahrersitz halb zum Liegen kam. »Zwei mit dem gleichen Namen… Jaan Hennan. Die Lehrer waren natürlich gezwungen, sie irgendwie zu unterscheiden, und wahrscheinlich stand auf der Klassenliste oder in irgend so einem Klassenbuch Jaan G. Hennan. Ich glaube, eine Woche lang nannten wir ihn Jaan G., dann war es nur noch G. Ihm selbst gefiel das auch, er hatte somit den einfachsten Namen in der ganzen Schule.«
»G.?«, wiederholte Münster. »Ja, das hat eine… irgendwie schon ein Gewicht.«
Der Kommissar nickte gedankenverloren. Zog einen Zahnstocher aus der Brusttasche und schaute ihn genau an, bevor er ihn zwischen die Schneidezähne im Unterkiefer schob.
»Wie war er?«
»Wie er war? Was meinst du damit?«
»Ja, zu der Zeit, damals, meine ich. Wie war G. da?«
»Warum fragst du das?«
»Weil du so etwas in der Richtung angedeutet hast.«
Van Veeteren drehte den Kopf und schaute eine Weile durchs Seitenfenster, bevor er antwortete. Trommelte mit den Fingerspitzen gegeneinander.
»Münster«, sagte er schließlich. »Das bleibt lieber erst einmal unter uns, aber dieser Jaan G. Hennan ist eines der größten Arschlöcher, die mir jemals in meinem Leben begegnet sind.«
»Was?«, wunderte Münster sich.
»Du hast es doch gehört.«
»Ja, schon. Aber… ich meine, was bedeutet das in diesem Zusammenhang? Das kann doch nicht so ohne jede Bedeutung sein? Wenn er jetzt…«
»Wie läuft es mit deiner Familie?«, unterbrach ihn Van Veeteren. »Immer noch das reinste Idyll?«
Die Familie?, dachte Münster und fuhr schneller. Typisch. Hat man einmal A gesagt, darf man unter keinen Umständen B sagen.
»Was man sät, das erntet man«, antwortete er, und zu seiner großen Verwunderung war vom Kommissar ein Laut zu vernehmen, der an ein Lachen erinnerte.
Kurz und flüchtig, aber trotzdem.
»Bravo, Inspektor«, sagte er. »Ich werde einiges über G. berichten, zu einem späteren Zeitpunkt, das verspreche ich. Aber ich will dir nicht die Möglichkeit nehmen, dir einen eigenen,
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