Sein letzter Fall - Fallet G
Mühe gemacht, sie als Zeugen zu laden, da wir heute Nachmittag noch andere Zeugen hören werden, die das Gleiche bestätigen können. Laut Gerichtsmediziner Meusse, den wir gestern gehört haben, starb Barbara Hennan irgendwann zwischen 21.30 Uhr und 22.30 Uhr an dem besagten Donnerstag. Während dieser Zeitspanne, wie auch während der übrigen Zeit an diesem Abend, befand sich der Angeklagte im Restaurant Colombine. Er kann nicht, ich wiederhole es, er kann
nicht
seine Ehefrau getötet haben. Haben Sie eine andere Person beauftragt, Ihre Ehefrau zu töten, Herr Hennan?«
»Natürlich nicht.«
»Nein, natürlich nicht. Haben Sie Ihre Ehefrau geliebt, Herr Hennan?«
»Ja. Wir haben uns sehr geliebt.«
»Danke. Sind Sie der Meinung, dass jeder das Recht in diesem Land hat, eine Lebensversicherung auf jemanden abzuschließen, den er liebt?«
»Das hoffe ich doch.«
»Ja, das hoffe ich auch. Danke, ich habe keine weiteren Fragen an den Angeklagten.«
Bevor Hennan den Zeugenstand verließ, blieb er noch eine Weile dort sitzen, als wollte er etwas hinzufügen. Er ließ seinen Blick über die drei Reihen von Zuhörern wandern, und als er zu Van Veeteren in der zweiten Reihe kam, hielt er einen kurzen Moment inne und vollführte eine Art nachdenkliches Nicken, das sicher von den meisten im Saal gar nicht bemerkt wurde. Anschließend stand er auf und nahm seinen Platz neben seiner Anwältin wieder ein.
Dieser Satan, dachte Van Veeteren und musste den Impuls unterdrücken, auch aufstehen zu wollen. Aufzustehen und den Gerichtssaal zu verlassen. Warum habe ich das hier kaum unter Kontrolle?, wunderte er sich. Wie kommt es, dass ich sofort zum Angriff bereit bin, wenn er mich nur eine Sekunde lang anschaut? Verdammt noch mal, ich hätte heute nicht herfahren sollen.
Er ballte die Fäuste und schloss die Augen. Richter Hart wechselte die Brille und rief Direktor Kooperdijk in den Zeugenstand.
Die Befragung des kräftigen Versicherungsdirektors durch den Staatsanwalt und die Verteidigerin bot keinerlei Überraschungen. Kooperdijks Antworten waren sachlich und bis ins geringste Detail vorhersehbar, und während das Ganze ablief, überlegte der Kommissar – wie sicher viele andere der Anwesenden auch –, ob er nicht Versicherungsnehmer bei F/B Trustor werden sollte. Wenn die Gesellschaft bereit war, eine so großzügige Vereinbarung wie jene mit Hennan zu unterschreiben – und eventuell die betreffende Summe auszuzahlen (doch, ja, die Liquidität war da, versicherte Kooperdijk, Liquidität genug, dass es für zehn derartige Fälle reichte) –, ja, dann müsste es hier doch auf die eine oder andere Art Geld zu verdienen geben.
Kooperdijk verließ den Zeugenstand nach knapp zwanzig Minuten. Da war es dann Viertel vor zwölf, und Richter Hart setzte bis halb zwei eine Mittagspause an. Ermahnte alle, pünktlich wieder zurück zu sein, und schlug mit dem Hammer auf das Gesetzbuch.
Van Veeteren aß im Colombine zu Mittag. Die Anzahl an Gaststätten in Linden war, wenn man es genau nahm, nicht gerade unbegrenzt, und zumindest hatten sie hier keinen Hawaiiburger Special auf dem Speiseplan.
Stattdessen aß er Kalbsfilet und trank zwei Gläser teuren Rioja, der jedoch seinen Preis wert war, während er überlegte, ob er möglicherweise an demselben Tisch saß, an dem Hennan an jenem besagten Donnerstagabend gesessen hatte – und ob er wirklich Lust hatte, auch der nachmittäglichen Sitzung im Gericht beizuwohnen.
Das hatte er nicht, zu diesem Schluss kam er sehr schnell, weiß Gott nicht, aber eine Art düsteres Pflichtgefühl ließ ihn dennoch wieder seinen Platz in der Zuhörerschar einnehmen, als es soweit war.
Bis zum bitteren Ende, dachte er verbissen. Gebe Gott, dass dieser hoffnungslose Verlangen schließlich doch noch etwas ausrichten kann!
Doch als nächsten Zeugen rief der Staatsanwalt nicht Maarten Verlangen auf, sondern Doris Sellneck.
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Fräulein Sellneck, können Sie uns sagen, in welcher Beziehung Sie zu dem Angeklagten Jaan G. Hennan stehen?«
Doris Sellneck machte ein paar eigenartige Zuckungen mit dem Kopf, bevor sie antwortete. Soweit Van Veeteren es beurteilen konnte, war sie in den Fünfzigern, eine große, magere Frau mit einem Zug von Introvertiertheit an sich. Als ob sie nicht so recht anwesend wäre. Sobald er ihren Namen gehört hatte, hatte er sich wieder an sie erinnert. Und auch gleich wieder gewusst, warum er sich gar nicht die Mühe gemacht hatte, sie zu vernehmen.
»Ich begreife
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