Sein letzter Fall - Fallet G
verschließen wie eine Auster oder aber behaupten, dass er sich an nichts mehr erinnern konnte. So war es schon vor zwölf Jahren gewesen, und so würde es vermutlich auch heute ablaufen.
Vielleicht würde er aber auch erzählen, dass er von Verlangen einen Fünfziger bekommen hatte, um den Mund aufzumachen, und da hätte er sich halt eine Geschichte ausgedacht.
Verdammter Mist, dachte Maarten Verlangen, als er in dem zunehmenden Regen nach Hause wanderte. Das hat doch keinen Sinn.
Ist vollkommen sinnlos.
Als er endlich den Kleinmarckt erreicht hatte, war er vollkommen durchnässt. Er zögerte einen Augenblick, dann kehrte er ins Café Kloisterdoom ein und bestellte sich ein Bier und einen Genever.
Nein, es würde ihm nur selbst schaden, wenn er diesen glatzköpfigen Idioten mit hineinziehen würde, beschloss er. Es ging halt seinen Lauf.
24
Silwerstein begann auf die einfachste Art und Weise.
»Haben Sie am Abend des Donnerstags, des 5. Juni, Ihre Ehefrau Barbara Hennan getötet?«
»Nein.«
»Haben Sie eine andere Person beauftragt, sie zu töten?«
»Nein.«
Hennans Stimme war klar und deutlich. Van Veeteren stellte fest, dass er in Erwartung der beiden Neins den Atem angehalten hatte – und mit ihm der ganze Gerichtssaal.
Irgendwie war es die gleiche unterdrückte Spannung wie vor dem Ja der Braut und des Bräutigams bei einer Hochzeit, und kurz überlegte er, wie einfach und rein doch unsere grundlegenden Anforderungen an Dramatik waren.
Ein Ja oder ein Nein. Das Zünglein an der Waage.
»Haben Sie Ihre damalige Ehefrau, Philomena McNaught, während Ihrer Reise in den Bethseda Park in den USA im Juni 1983 getötet?«
Die Verteidigerin kam auf die Beine.
»Einspruch. Mein Mandant ist nicht für etwas angeklagt, was vor vier Jahren passiert ist.«
Richter Hart wechselte die Brille und betrachtete sie eine Weile mit etwas, was fast als wissenschaftliches Interesse gedeutet werden konnte. Wie ein Biologe, der auf einen sonderbaren lebenden Organismus gestoßen war und sich nun um eine Artbestimmung bemühte.
»Die Frau Anwältin sieht doch sicher ein, dass uns ein wenig Hintergrundinformation nützen kann«, brummte er dann und richtete einen Brillenbügel auf sie, als ob es eine Waffe wäre. »Bitte, setzen Sie sich! Herr Hennan, würden Sie so gut sein und die Frage des Staatsanwalts beantworten?«
Hennan nickte.
»Nein«, sagte er. »Ich habe Philomena nicht getötet. Es war unsere Hochzeitsreise, ich habe sie geliebt.«
Billiger Punkt, dachte Van Veeteren verbittert. Aber trotzdem ein Punkt.
»Welchen Beruf haben Sie?«, fuhr Silwerstein fort.
»Ich bin Geschäftsmann.«
»Geschäftsmann?«
»Ja.«
»Und um welche Art von Geschäften handelt es sich da?«
Hennan beugte sich vor und legte die Hände auf die Schranke. Van Veeteren registrierte, dass er an diesem Tag einen Ehering trug, was er während all der Verhöre im Polizeigebäude nicht getan hatte.
»Wie Sie vielleicht wissen, sind wir gerade aus den USA gekommen, meine Frau und ich, als der Unfall geschah… Ich habe in Denver eine Importfirma gehabt, und es war meine Absicht, das Gleiche hier in Linden aufzubauen.«
»Eine Importfirma?«, fragte Silwerstein nach. »Und was importieren Sie?«
»Wie ich schon versucht habe darzustellen, so habe ich es bis jetzt noch nicht geschafft, mich zu etablieren. In Denver hat es sich in erster Linie um Konserven aus Südostasien gehandelt… Gemüse und Obst. Teilweise auch technische Produkte. Bevor man anfängt, sind einige Marktuntersuchungen und Patentnachfragen nötig.«
Silwerstein hatte während der einleitenden Fragen und Antworten die ganze Zeit auf demselben Fleck gestanden, drei Meter vor dem Angeklagten, jetzt trat er zwei Schritte zur Seite und wandte sich den Geschworenen zu.
»Dann kann man wohl sagen, dass Ihre so genannte Firma bis jetzt überhaupt noch keine größeren Aktivitäten getätigt hat?«
»Ja, das kann man natürlich…«
»Man könnte auch behaupten, dass sie nur als Tarnung diente für das, was Sie eigentlich mit Ihrem Umzug in dieses Land bezweckten?«
»Ich fürchte, ich verstehe nicht, was Sie meinen.«
»Nein? Ich denke, Sie verstehen es ganz ausgezeichnet. Oder ist es nicht so, Herr Hennan, dass Sie mit Ihrem Umzug von Denver und aus den USA nur ein einziges Ziel verfolgten? Das Gleiche machen zu können, was Sie bereits einmal, damals mit Philomena McNaught, gemacht haben? Ihre Gattin aus dem Weg räumen und erneut eine Schwindel erregend hohe
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